1050 Jahre
Hettensen in Wort und Bild
-- 28. Mai bis 1.
Juni 2003 --
Hettensen-Medaille zum 1050. Geburtstag
Diese Medaille wurde mit einem mittelalterlichen
Fallhammer in Bronze und Silber vor Ort geprägt
Festprogramm 28. Mai bis 1. Juni 2003
Northeimer Neueste Nachrichten vom 10. Mai 2003
Göttinger Tageblatt vom 28. Mai 2003
Northeimer Neueste Nachrichten vom 1. Juni 2003
Northeimer Neueste Nachrichten vom 2. Juni 2003
Northeimer Neueste Nachrichten vom 2. Juni 2003
Northeimer Neueste Nachrichten vom 2. Juni 2003
Northeimer Neueste Nachrichten vom 2. Juni 2003
Northeimer Neueste Nachrichten vom 2. Juni 2003
Northeimer Neueste Nachrichten vom 2. Juni 2003
Northeimer Neueste Nachrichten vom 2. Juni 2003
Northeimer Neueste Nachrichten vom 2. Juni 2003
Northeimer Neueste Nachrichten vom 2. Juni 2003
Northeimer Neueste Nachrichten vom 2. Juni 2003
Göttinger Tageblatt vom 3. Juni 2003
Das folgende Gedicht wurde unserer Ortschaft gewidmet
von
Frau Helga Schneider aus Bad Sooden-Allendorf
1050 Jahre Hettensen
Ja, was wäre Hardegsen ohne Hettensen,
doch da liegt mir nahe,
was wäre Hettensen ohne Bürgermeister Glahe.
Solch ein Fest kann nur entstehen,
wenn alle Bürger ein Ziel nur sehen.
Es soll ein Fest werden, was keiner bereut
und wovon man redet eine lange Zeit.
So ist es nun ja auch gewesen,
in allen Zeitungen konnte man es lesen.
Die Jugend begann mit lautem Tam-Tam,
bis zum frühen Morgen dann.
Der liebe Gott uns gutes Wetter versprach
zum Gottesdienst am Himmelfahrtstag.
Er fand auf der grünen Wiese statt,
die Kirche hätt' nicht alle Besucher gefasst.
Sehr abwechslungsreich wurden wir unterhalten,
mit Predigten und musikalischen Gestalten.
Nach einem gemeinsamen Gebet kam ein gemeinsames
Essen,
auch das wird keiner so schnell vergessen.
Für den Durst gab es kühle Getränke,
aber keiner ging über Tisch und Bänke.
Die Bilddokumentation war mit viel Arbeit verbunden,
Einige hatten Bilder und Schriften von früher
gefunden.
Viele sahen sich selber auf den Bildern vor 50, 60
Jahren,
wie abgearbeitet sie alle waren.
Der Krieg hatte große Wunden hinterlassen,
die Jugend von heute kann das alles kaum fassen.
Am Samstag dann die Kaffeetafel im Mehrzweckraum,
der fasste die Besucher kaum.
Aus Eberhausen der Gitarrenchor
war ein Genuss für jedermanns Ohr.
Dann wurde ein Kranz zum Ehrenmal gebracht
und der Toten beider Kriege gedacht.
Mit stillem Gedenken und einem Gebet
in der Hoffnung, dass es nie einen Krieg wieder gibt.
Am Abend dann Kommers und Tanz auf dem Saal,
die Ansprachen sehr gut, doch dann kam der Ball.
Die Hitze war fast unerträglich,
die Teilnahme am Tanz daher nur kläglich.
Trotzdem ging es bis tief in die Nacht,
keiner hat da an morgen gedacht.
Denn Sonntag war historischer Markt,
an diesem Tag waren die Ritter sehr stark.
Sie kämpften bis einer zum Liegen kam,
die bleiernen Gewänder machten sie lahm.
Auch Minnesänger kamen in Fahrt,
die Lieder von Liebe haben ihre eigene Art.
Pfeil und Bogen im Zelte dort lagen,
doch einen Apfel auf dem Kopf hat keiner getragen.
Viele Handwerker aus früherer Zeit
standen auch für uns bereit.
Sie zeigten, wie man einst die Schuhe besohlte,
wie der Schmied das Eisen aus dem Feuer holte,
um ein Pferd zu beschlagen,
die Kuh beschlich dabei ein Unbehagen.
Auf alten Spinnrädern wurde Garn gesponnen,
man schaute zu, so ganz versonnen,
ging weiter und stand vorm Waffelbäcker,
ich muss schon sagen, die waren lecker.
Die knusprigen Brötchen von Bäcker Fuß
waren ebenfalls ein Hochgenuss.
Der Korbmacher präsentierte Körbe aller Art,
doch um zu überleben ist dieser Beruf schon hart.
Alte Stühle bekamen einen neuen Sitz,
ausgeflochten mit viel Geschick.
Dann die Prägung der Münzen in Bronze, Silber und
Gold,
selbstverständlich hat man sich eine geholt.
Nicht zu vergessen das Schwein am Spieß,
gern man sich dort ein Stück geben ließ.
Die Schlange war lang, alle mussten warten,
auf den leck'ren Schweinebraten.
Autoscooter und Karussel
waren natürlich auch zur Stell'.
In Crepes-, Fisch- und Würstchenständen
gab es nur fleißige Hände.
Einige haben ganz verschmitzt gelacht,
sie waren kaum zu erkennen in ihrer Tracht.
Den Landvogt, das möchte ich noch betonen,
müsste man eigentlich belohnen,
und allen, die ihm gingen zur Hand,
gebührt ebenfalls ein großer Dank.
Ein jeder gab hier das Allerbeste,
bei diesem herrlichen, friedvollen Feste.
Es gab keinen Zank und Streit,
überall herrschte Einigkeit.
Beim Feuerwerk zum guten Schluss,
fiel dann so mancher Schuss.
Man davon wohl noch lange zehrt,
denn damit wurd' das Fest geehrt.
In 50 Jahren, wenn wir nicht mehr da,
ist es sicher die Kinder und Enkelschar,
die alles richtet und alles lenkt
und im Stillen auch an heute mal denkt.
Konzert des Gitarrenchores Eberhausen am 31. Mai
2003
Foto: Dieter Daemelt
Festlegung der Marktordnung für den 1. Juni 2003
Foto: Marianne Abler
Eröffnung des Historischen Marktes am 1. Juni
2003
Foto: Ulrich Geffers
Das Bogenschießen - nicht so einfach...
Foto: Ulrich Geffers
Flechten - eine alte Kunst.
Foto: Ulrich Geffers
Ein besonderer Anziehungspunkt: Alte Waffen
Foto: Ulrich Geffers
Die Junior-Waffelbäcker
Foto: Ulrich Geffers
Färben von Wolle
Foto: Ulrich Geffers
Die letzte Hettenser Kuh wird beschlagen
Foto: Christoph Papenheim
Vorbereitung der Ausstellung
landwirtschaftlicher Maschinen
Foto: Ulrich Geffers
Hanomag-Schlepper Baujahr 1950
Foto: Ulrich Geffers
Saubraten zum Mittagessen
Foto: Christoph Papenheim
Ein Schwert wird geschmiedet
Foto: Ulrich Geffers
Die Recken bereiten sich auf den Kampf vor
Foto: Ulrich Geffers
Kampf der Ritter
Foto: Ulrich Geffers
Brotzeit der Darsteller und Händler
Foto: Ulrich Geffers
Kaffeepause im Schatten
Foto: Ulrich Geffers
Mit einem wunderschönen Feuerwerk klang das
Fest am 1.6. gegen Mitternacht aus
Foto: Ulrich Geffers
Festrede des
Ortsbürgermeisters
am Kommersabend der 1050-Jahr-Feier
31. Mai 2003
Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrter Herr
Bürgermeister und Mitglieder des Rates, meine sehr
geehrten Damen und Herren, liebe Kinder, werte Gäste!
Ich freue mich, Sie auch im Namen des Festausschusses
zum Kommersabend anlässlich des 1050. Geburtstages
unserer Ortschaft sehr herzlich hier in Hettensen
begrüßen zu dürfen.
Die vergangenen Tage haben uns gezeigt, dass sowohl
die Hettenser als auch die Bewohner der Nachbargemeinden
regen Anteil an den bisherigen Festveranstaltungen
genommen haben. Dies ist ein eindeutiges Indiz dafür,
dass Hettensen nach wie vor eine Ortschaft ist, in der
es sich zu leben lohnt. Es ist eben ein liebenswertes
Stückchen Land, das vielerorts geschätzt wird und mit
dem man sich identifizieren kann.
Ich würde es begrüßen, wenn Sie auch morgen, am Tag
des Historischen Marktes mit seinen attraktiven
Angeboten, wieder bei uns wären und den letzten
Veranstaltungstag gemeinsam mit uns verbringen könnten.
Den Mitgliedern des Festausschusses, die diese
Feierlichkeiten vorbereitet haben, möchte ich an dieser
Stelle für die geleistete uneigennützige und harmonische
Zusammenarbeit ausdrücklich danken.
Der Ausschuss hat in seinen Sitzungen nach einem
praktikablen Weg gesucht, wie man den 1050. Geburtstag
der Gemeinde Hettensen angemessen begehen kann.
Bei der Zusammenstellung eines möglichst attraktiven
Angebotes hat natürlich immer wieder auch die
Einschätzung anfallender Kosten im Vordergrund
gestanden. Ich denke, wir haben bei dieser Abwägung
einen goldenen Mittelweg gefunden.
Es ist erfreulich, dass eine Materialsammlung zur
Geschichte unserer Ortschaft zusammengestellt werden
konnte. Im Vordergrund standen dabei die Informationen
und nicht wissenschaftliche Kriterien.
Durch das Zusammenwirken von Lebensbildern,
überlieferten Fakten, Erzählungen sowie der Zeitleiste
kann jeder den Werdegang unserer Ortschaft
nachvollziehen und sich in die jeweilige historische
Situation, in der sich die Dorfbewohner befunden haben,
hineinversetzen.
All denen, die mit ihren Informationen,
Überlieferungen, Unterlagen und sonstigen
Hilfestellungen die Entstehung dieser Materialsammlung
unterstützten, möchte ich an dieser Stelle nochmals ein
‘Dankeschön’ sagen.
In diesen Dank schließe ich selbstverständlich auch
diejenigen mit ein, die Photos aus ihren privaten
Sammlungen für die Bilddokumentation “Hettensen im
Wandel der Zeit” zur Verfügung gestellt haben.
Diese Bild- und Schriftdokumente, zusammengefasst in
der gestern gezeigten Präsentation, ermöglichen es,
Alt-Hettensen zu “durchwandern” und einem Teil seiner
ehemaligen Bewohner und Originale nochmals zu begegnen.
Ich denke, dass so ein Teil Ortsgeschichte wieder
lebendig und nachvollziehbar geworden ist.
II.
In meinem jetzt folgenden Bericht aus der
Vergangenheit unserer Ortschaft werde ich mich bemühen,
die von mir ‘ausgewählten Momentaufnahmen Hettenser
Geschichte’ möglichst gerafft - aber angemessen -
darzustellen.
Da Hettensen am 26. Juni 952 in einer Tauschurkunde im
Urkundenbuch des Eichsfeldes erwähnt wurde, liegt die
Vermutung nahe, dass der Ort noch älter sein dürfte.
Einen Beleg hierfür gibt es allerdings nicht.
Festzustellen ist aber, dass auch in jener Zeit nur
das getauscht wurde, wovon man sich einen
wirtschaftlichen oder strategischen Vorteil versprach.
Die Annahme, dass ein Teil unserer Vorfahren unter
anderem aus der ehemaligen Ortschaft Friwole stammt und
an dieser Stelle gesiedelt hat, lässt sich zwar nicht
beweisen, doch sie gilt als relativ wahrscheinlich.
Die Ursprünge der Siedlungsfläche Hettensen sind im
Bereich der ehemaligen Mühle, dem heutigen Resthof
Falke, zu suchen. Nach einer Feuersbrunst und auf Grund
der Tatsache, dass die feuchte Niederung der Schwülme
häufiger überschwemmt wurde, verlagerte man bei
künftigen Bauvorhaben seine Aktivitäten in den Bereich
des Wemmelhofes. [Erklärung für Jung- und Neubürger:
Dies ist im Wesentlichen die Fläche zwischen der
Lödingser Straße und der Bornbreite zwischen den
Grundstücken Wolfgang Heine und Harald Fricke].
Dort bildete sich etwa seit Beginn des 18.
Jahrhunderts der neue Ortskern mit Kirche, Friedhof,
Schule und Wohnhäusern heraus. Recht bemerkenswert ist,
dass die Schwülme noch bis gegen Ende des 19.
Jahrhunderts zwischen dem heutigen Grundstück Peter
Henzler [Wassergasse] und etwa dem Grundstück Wilhelm
Wasmuth bzw. Martin u. Susanne Wagner [Kaineweg 1/ 3] in
zwei Armen durch das Ortsgebiet floss.
Aus einer Zeichnung des Lehrers Huß, die die
Ausdehnung der Siedlungsfläche Hettensen um 1900 zeigt
und von der mir Hans-Peter Hübner freundlicherweise eine
Kopie zur Verfügung gestellt hat, ist zu entnehmen, dass
der zweite Arm des Baches zu diesem Zeitpunkt schon
wieder trocken gelegt worden war. Diese Trockenlegung
des zweiten Schwülmearmes muss demnach vor 1900, jedoch
nach 1865 erfolgt sein, da eine Karte aus jener Zeit
noch den verzweigten Flusslauf zeigt.
Im Verlauf seiner weiteren Besiedlung dehnte sich der
Ort vorrangig flussaufwärts entlang der Schwülme aus.
Eine dichtere Bebauung ist eigentlich erst nach 1900
festzustellen. Ein weiterer deutlicher Schub erfolgte
dann in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg:
Im ersten Nachkriegsjahr lebten bereits über 1.000
Menschen in Hettensen. Auf Grund der Wohnungsnot stellte
die Gemeinde schrittweise Baulandflächen zur Verfügung,
so dass auch die Familien, die aus den ehemaligen
deutschen Ostgebieten vertrieben wurden, wieder sesshaft
werden konnten. In dieser Zeit sind die Flächen der
Oberen Siedlung (Nordring) und der Unteren Siedlung
(Wiesenstraße) baureif gemacht und alsbald bebaut
worden.
Da die Kessellage der Ortschaft nur eine behutsame
Erweiterung des Siedlungsraumes zulässt, sind später
weitere Baulandflächen am Ascher Berge (Mühlenberg), an
Oehlmanns Berg (Sonnenweg) und im Bereich Hinter den
Höfen hinzugekommen.
Eine Bebauung der so genannten Buehwiesen erscheint
mittelfristig fraglich, da die für eine Erschließung
notwendigen Gelder vorerst wohl nicht zur Verfügung
gestellt werden können.
Soviel zur baulichen Entwicklung.
III.
Was aber war typisch für Hettensen und seine Bewohner?
Die Sozialstruktur der Ortschaft bis in die Mitte des
19. Jahrhunderts ist einfach darzustellen, wobei der
Blick auf unser Ortswappen, das der Gemeinde Hettensen
erst im Jahre 1951 verliehen wurde, schon Wesentliches
verrät:
Die überwiegende Anzahl der Einwohner lebte von der
Flachsgewinnung [Flachs-Rottekuhlen in den Raten], dem
Sammeln von Beeren und Kräutern, einer
landwirtschaftlichen Tätigkeit sowie der Lohnarbeit auf
dem Rittergut. Nur wenige Bauern und Handwerker rundeten
das Bild ab. [Unterschied erklären: Bauer - Landwirt;
Kuhbauern - Ziegenbauern]
Bewegung kam in der Mitte des 19. Jahrhunderts in
dieses Gefüge, als auf der nahe gelegenen Bramburg mit
dem Abbau von Basaltgestein begonnen wurde. Da in den
Steinbrüchen fast ausschließlich Handarbeit betrieben
wurde, benötigten die Betreiber des Bruches naturgemäß
eine große Anzahl von Arbeitskräften. Diese fand man in
den umliegenden Ortschaften - so also auch in Hettensen.
Die körperlich sehr anstrengende Arbeit im Bruch war
zwar mitunter gefährlich, sicherte jedoch der
Bevölkerung ein geregeltes und relativ unabhängiges
Einkommen.
Der harte Arbeitsalltag in den Steinbrüchen auf der
Bramburg schweißte die Männer, die dort arbeiteten,
zusammen. Der Begriff der Solidarität war für die
“Bramburger” nicht nur eine Floskel. Man hielt zusammen
und trat mitunter, so ist überliefert, auch massiv der
Betriebsleitung des Basaltwerkes entgegen, wenn die
Arbeitsbedingungen nicht mehr akzeptabel erschienen.
Das dort praktizierte und verinnerlichte
Soldaritätsprinzip führte unter anderem auch dazu, dass
die Steinarbeiter eine landwirtschaftliche
Selbsthilfeeinrichtung, die Ackerbaugenossenschaft
Hettensen e.G.m.b.H., bildeten.
Die Genossenschaft mit Sitz im ehemaligen Schafstall
des Rittergutes wurde in den Zwanziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts gegründet und hatte bis 1966
Bestand. [Der Schafstall ist das heutige Betriebsgebäude
der Zimmerei Brodkorb & Krull in der Ellieröder
Straße].
Nahezu alle “Bramburger” führten eine kleine
Nebenerwerbslandwirtschaft und waren Mitglied der
“Ackerbau”, wie die Genossenschaft im Volksmund
bezeichnet wurde. Diese Einrichtung stellte sicher, dass
die Landflächen -ohne weiterhin von den sog. Bauern
abhängig zu sein- bewirtschaftet werden konnten. Durch
die zusätzlichen Einkünfte aus der
Nebenerwerbslandwirtschaft war es den Steinarbeitern
möglich, ihre Lebenshaltungskosten deutlich zu senken
und einen gewissen Wohlstand zu erlangen. Die
zahlreichen Nebenerwerbsbetriebe sicherten der Hettenser
Bevölkerung gerade in den Jahren nach dem Zweiten
Weltkrieg eine relativ gute Versorgung mit
Grundnahrungsmitteln.
Dass damals nicht alles in Einklang mit den
bestehenden Gesetzen gestanden hat, belegen zahlreiche
mündliche Überlieferungen. So genannte
Schwarzschlachtungen wurden hinter verdunkelten Fenstern
und ohne Hinzuziehung eines Fleischbeschauers vollzogen.
Da auch Öle und Fette in der 'Schlechten Zeit' rar
gewesen sind, wurde, wenn auch illegal, nach dem
Auswechseln der Mühlsteine in einem örtlichen
Klein-Mühlenbetrieb zentnerweise Raps für die Bewohner
des Dorfes gemahlen.
Andere hatten sich darauf spezialisiert, Schnaps aus
Kartoffeln oder Rüben zu brennen. Große Mengen dieses
Eigenerzeugnisses fanden trotz des manchmal etwas
eigenwilligen Geschmacks ihre Konsumenten. Selbst ein
Landgendarm, der Schwarzbrenner aufzuspüren suchte, soll
bei einem Inspektionsgang durch Hettensen nicht
unerhebliche Mengen davon zu sich genommen haben.
Dies zeichnet ein eindeutiges Bild:
Die Bevölkerung hielt als Solidargemeinschaft -auch
gegenüber der Staatsgewalt- zusammen, machte aus der Not
eine Tugend und organisierte das “Überleben” (vielleicht
sollte ich besser sagen, “das Sattwerden”) mittels
eigener Strategien.
Was Solidarität bedeuten kann, wird in den
Nachkriegsjahren [1945 ff.] in einer weiteren Dimension
deutlich:
Unabhängig von der Bereitstellung der Siedlungsflächen
haben die angestammten Bewohner unserer Ortschaft die in
den Nachkriegsjahren zugezogenen Neubürger, die in
erster Linie aus Pommern, Ostpreußen und Schlesien
stammten, voll in das Sozialgefüge der Gemeinde
integriert.
Nicht nur auf der Bramburg, wo die Heimatvertriebenen
ihre erste Beschäftigung fanden, sondern auch gerade in
den örtlichen Vereinen wurden sie als belebendes Element
freundlich aufgenommen. Ohne diese Menschen würden
unserem Sozialgefüge zum gegenwärtigen Zeitpunkt
wesentliche Faktoren fehlen.
Die Erwerbsstruktur stellt sich heute vollkommen
anders dar, da sowohl die Vollerwerbs- als auch die
Nebenerwerbslandwirtschaft keine wesentliche Rolle mehr
spielt. Hinzu kommt, dass, bedingt durch andere
Produktionsverfahren, der Arbeitskräftebedarf in den
Steinbrüchen auf der Bramburg deutlich zurückgegangen
ist. Die überwiegende Anzahl der Berufstätigen pendelt
zu den Arbeitsplätzen in Handel, Handwerk, Industrie und
im öffentlichen Dienst in die größeren Städte Northeim
und Göttingen.
IV.
1050 Jahre sind ein langer Zeitraum in unserem Denken
- waren es doch immerhin etwa 50 Generationen, die
unseren Ort gegründet, aufgebaut, ausgebaut und
modernisiert haben.
Und heute, an diesem denkwürdigen Tag, sollten wir uns
noch eines verdeutlichen:
Geschichtliche Prozesse sind keine Selbstläufer,
Geschichte ist kein starres, kein vorgeprägtes Gebilde.
Geschichte, und hier meine ich die Ortsgeschichte, wird
vielmehr von Menschen geschrieben; geschichtliche
Abläufe können also von uns beeinflusst, mit-gestaltet
werden.
Unsere Ortschaft hat nunmehr erfolgreich 1.050 Jahre
Geschichte geschrieben. Das liegt in erster Linie daran,
dass sich immer wieder Bürgerinnen oder Bürger gefunden
haben, die bereit waren, dieses Gemeinwesen zu formen.
Sie haben es verstanden, sowohl in der Zeit der Not als
auch in Zeiten eines vermeintlichen Wohlstandes Dinge
auf den Weg zu bringen und diese mit Beharrlichkeit zu
verfolgen.
Gerade deshalb scheint es mir geboten, heute derer zu
gedenken, die nicht mehr unter uns weilen. Durch ihr
Wissen, ihren Einsatz und ihre Standhaftigkeit haben sie
mit dazu beigetragen, dass unsere Ortschaft sich stetig
weiter entwickeln konnte.
Diesen Menschen gilt unser Dank.
Ich bitte Sie, sich zum Zeichen des Gedenkens von
Ihren Plätzen zu erheben und in einem Augenblick der
Stille zu verharren.
Ich danke Ihnen.
V.
Die Ortschaft Hettensen steht in der Gegenwart nicht
mehr allein, da sie den Status einer selbstständigen
Gemeinde im Jahre 1974 eingebüßt hat. Die Verwaltungs-
und Gebietsreform hat andere Zuständigkeiten und
Abhängigkeiten geschaffen, mit denen wir seit nunmehr
fast dreißig Jahren leben.
Dabei ist ein Unterschied festzustellen:
Wenn früher, also zu Zeiten der selbstständigen Gemeinde
Hettensen, ein Beschluss protokolliert wurde, dann war
in der Regel später festzustellen, dass dieser auch
umgesetzt worden war.
Heute sorgt allein der innerbetriebliche
Verwaltungsgang in Verbindung mit einer unzulänglichen
Finanzausstattung für zum Teil erhebliche Verzögerungen
- wenn denn ein Beschluss unseres Ortsrates überhaupt
umgesetzt werden soll.
Wir hoffen, dass sowohl seitens der Verwaltung als
auch seitens der gewählten Ratsvertreter stets daran
gedacht wird, dass auch die Menschen in Hettensen an
einer Weiterentwicklung ihrer Ortschaft interessiert
sind und dass sie diese auch ausdrücklich wünschen.
Von einer Gleichberechtigung und demzufolge von einer
Gleichbehandlung gehen wir, wenn auch nur an der
Peripherie des Stadtgebietes gelegen, in Zukunft
weiterhin aus.
Wir ziehen die Lehren aus unserer Geschichte, wenn wir
stets darum bemüht sein werden, unser Kleinod am Fuße
der Bramburg stets mit den Mitteln auszustatten, wie es
für ein zukunftsorientiertes Gemeinwesen unabdingbar
ist. Dieses Ziel im Auge zu behalten und engagiert dafür
einzutreten, soll auch künftig eine Verpflichtung sein.
Mittelfristig denke ich dabei in erster Linie an eine
Verbesserung des zum Teil desolaten Straßen- und
Wegesystems unserer Ortschaft. Der Ausbau dieser
innerörtlichen Straßen sollte Vorrang haben vor der
Erschließung neuer prestigeträchtiger Baugebiete.
Wenn ich die idealtypischen Zielsetzungen der
Verwaltungs- und Gebietsreform noch recht im Ohr habe,
dann sollte diese Reform u.a. dazu beitragen, das
Stadt-Land-Gefälle abzubauen.
Bezüglich der Versorgung hat die Infrastruktur in
Hettensen seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts
deutlich gelitten:
Wenn wir einst fünf Kaufläden, drei Gaststätten, zwei
Banken bzw. Sparkassen, eine Bäckerei und eine
Poststelle im Ort hatten, dann ist uns diesbezüglich ein
Stück Lebensqualität abhanden gekommen.
Unter Berücksichtigung der relativ schlechten
Einbindung des Ortes in den öffentlichen
Personennahverkehr ist es besonders den älteren
Menschen, aber auch den nicht mobilen Hettensern nur
schwer möglich, sich angemessen zu versorgen. Selbst das
Telefonnetz auf dem flachen Land entspricht nicht mehr
dem in der Kernstadt vorgehaltenen Standard.
Diese strukturellen Schäden sind wohl nur schwerlich,
wahrscheinlich aber gar nicht nicht mehr zu reparieren.
Obwohl dies vielleicht etwas pessimistisch klingt,
will ich unser aller Augenmerk in die Zukunft lenken:
Wir alle wollen auch weiterhin die in Hettensen schon
immer gezeigte und gelebte Solidarität üben, wollen uns
auf unsere Ideale besinnen und gemeinsam in die Speichen
fassen - in die Speichen des Rades der Ortsgeschichte.
Wir sollten uns auch in der Zukunft darum bemühen,
dass der Wagen nicht zum Stillstand kommt. Wenn nicht
anders möglich, dann kann ich mir auch vorstellen, dass
wir mittels der uns eigenen Energie dringliche Dinge
anfassen und diese eigenverantwortlich lösen.
In diesem Sinne gehe ich davon aus, dass wir gemeinsam
-wie unsere Vorfahren es uns gelehrt haben- mit der
gebotenen Stärke und Beharrlichkeit auch weiterhin an
dem Haus bauen werden, mit dem wir uns identifizieren
und das uns so am Herzen liegt:
An unserem Haus Hettensen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Kranzniederlegung zum Gedenken der Opfer der
Kriege
Foto: Artur Hansel
* * * * * * * * *
|