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HETTENSEN - Landkreis Northeim





Das Ehrenmal an seinem ursprünglichen Standort am Thie in der Ortsmitte (1938)
Foto: Albert Diederich





G E D E N K T A F E L


Die beiden Weltkriege haben auch unser Dorf bis in die Grundfeste erschüttert.
In Ehrfurcht verneigen wir uns schweigend vor den Gefallenen und Opfern dieser Kriege.


* * * * *


Erster Weltkrieg
1914 - 1918

Albert Ahlborn - Karl Ahlborn - Karl Ahlborn II - Ernst Denecke - Hermann Diedrich
A. Friedrichs - Hermann Glahe - Karl Glahe - H. Hennecke - Hermann Herbst
August Klemme - F. Landenberg - H. Leonhardt
August Müller - W. Müller - Karl Otte - Willi Poppe - F. Unverzagt - W. Unverzagt
K. Warneke - August Wienecke - F. Wimmel - August Wolter



Zweiter Weltkrieg
1939 - 1945

Ewald Ahlborn - Gerhard Ahlborn - Erwin Ahrens - Josef Andres - Walter Bastian
Erich Beate - Adolf Becker
Erwin Behrens - Karl Brede - Karl Denecke - Karl Diederich - Karl Friedrichs - Max Geisler
Willi Glahe - Adolf Grapp
Willi Heese - Emil Helmbrecht - Gustav Helmbrecht - Karl Helmbrecht - Hermann Herborg
Rudolf Herborg
Willi Hertramph - Gustav Hildebrand - Albert Ische - Erich Ische - Hans Ische - Rudolf Ische
Willi Ische - Josef Jeischik
Bruno Kalusche - F. Kalusche - Alexander Kliewer - Wilhelm Knocke - Heinrich Kortekaas
Otto Krull - Ernst Kuhnert
Willi Leonhardt - Harry Mühle - August Müller - Karl Müller - Erhard Olbrich - Hermann Olbrich
Gustav Otte - Kurt Pavelt
Willi Priesing - Richard Röbke - Leonhard Schacht - Fritz Schendera - Adolf Schiwatsch
Helmut Thiel - Walter Thiele - Friedrich Thofern - H. Thofern - Karl Thofern - Ernst Unverzagt
Hermann Unverzagt
Hermann Wienecke - Karl Wienecke - Werner Wienecke - Otto Wolter


* * * * * * *


Uns ist neben dem steten Gedenken
die Verpflichtung
zu besonders verantwortlichem Handeln auferlegt.




Gedenktafel der Gefallenen und Kriegsteilnehmer 1914-18
Die Gefallenen sind innerhalb des Eisernen Kreuzes abgebildet.
Foto: Mathias Martin



Gedenktafel der Gefallenen und Vermissten 1939-45
Foto: Trude Hübner








Hettensen am Vorabend des I. Weltkrieges


Eine zeitgenössische Schilderung von Schulleiter Heinrich Huß aus dem Sommer 1914

"Gibt es Krieg?" Das war die tägliche Frage als im Endviertel des schönen Julimonats der politische Himmel sich mehr und mehr verfinsterte. Als nun die Nachrichten immer ungünstiger lauteten, wurde die Volksstimmung ziemlich erregt. Reisende bringen die Nachricht mit, daß in Göttingen sämtliche Maschinen Tag und Nacht unter Dampf ständen und der ganze Güterbahnhof voll Güterwagen gefahren wäre. Auch würden die Hauptbahnstrecken schon militärisch bewacht. Von Stunde zu Stunde mehren sich die Anzeichen des bevorstehenden Krieges, die Erscheinungen werden bestimmter. Ernteurlauber erhalten telegraphischen Befehl zur Rückkehr, die Post hat Nachtdienst eingelegt.

Am 31. Juli Nachmittags erhielt auch die hiesige Posthilfsstelle die telegraphische Nachricht, den Geheimbrief zu öffnen und Nachts zu wachen. Man konnte es noch nicht recht glauben, daß der schöne Friede, der unser Volk zu Wohlstand gebracht hatte, so jäh gestört werden sollte. Noch an demselben Abend kamen Boten auf Fahrrädern von dem Landratsamte und brachten die kaiserliche Verordnung, daß über das Deutsche Reich der Kriegszustand verhängt sei.

Auf die Bitte des Gemeindevorstehers ging ich zu ihm, um die gebrachten Nachrichten mit ihm zu besprechen, da er in seiner Aufregung schon glaubte, die Mobilmachung sei angeordnet. Auf der Straße standen Männer und Frauen zu ernsten Beratungen zusammen. Auf ihre Fragen konnte ich ihnen keine bestimmte Antwort geben; ich eröffnete ihnen, daß ich zum Gemeindevorsteher wolle und mit ihm die Nachrichten durchzulesen und zu besprechen. Das dauerte etwa eine halbe Stunde.

Als ich wieder aus dem Hause trat, stand die ganze Straße voller Menschen. Bange Erwartung lag auf allen Gesichtern; keine Frage wurde laut; sie wußten wohl, daß auch ohne eine solche das Schweigen gelöst werden würde. Ich machte dann Mitteilung von den ersten Anordnungen über den Kriegszustand, von dem Übergang der Zivilgewalt auf die Militärbehörde und daß möglicherweise in 24 Stunden die Kriegserklärung folgen würde.

Nachdem noch einige Gedanken ausgetauscht waren, begab sich alles zur Ruhe. Noch nie habe ich den vollen Mond so blutig rot am Himmel gesehen, als an diesem Abend. Dies schaurige Bild hielt mich denn auch noch eine ganze Zeit gefesselt und in Gedanken versunken stand ich bange mit meiner Frau auf dem Schulhofe.

Der 1. August kam heran, leise Ahnungen hielten den Tag über die Gedanken im Banne. Am Abend 6 1/2 Uhr kommt ein Junge auf den Schulhof gelaufen und bringt mir von der Posthilfsstelle [Posthalter war der Kaufmann und Gastwirt Carl Brede (Gasthaus zur Post)] das erste Kreistelegramm: "Seine Majestät hat die Mobilmachung befohlen. Der 2. August ist der erste Mobilmachungstag."
Wie ein Lauffeuer durcheilte die Nachricht den Ort, das Weinen der Frauen und Mütter war allgemein, waren doch die Männer ihrer gewohnten Beschäftigung als Arbeiter auf der Bramburg nachgegangen. Aber auch dorthin war schon die Kunde gedrungen und vor Feierabend kehrten sie in das heimatliche Dorf zurück; wußte doch von ihnen schon mancher nach seiner Paßnotiz, wann er hinausziehen sollte, um Haus und Herd zu schützen.

Soviel stand bei allen fest, ein leichter Krieg ist es nicht, kämpfen wir doch nach zwei Fronten gegen Rußland und Frankreich und der Gedanke beherrschte alle: Unser Kaiser hat nur schweren Herzens sich zu diesem Weltkriege entschlossen, ihm ist das Schwert von unseren neidischen Nachbarn in die Hand gedrückt. "Dem Vaterlande und unserem Kaiser zu helfen ist unsere höchste Pflicht."

Schon von den Kontrollversammlungen wußte man, daß beim Ausbruche eines Krieges der Bahnverkehr großen Stockungen Unterworfen sein würde. Ich hatte Gelegenheit am Abend des 1. August in der folgenden Nacht und auch am 2. August unsere Verkehrsmittel und die ersten Truppentransporte mit eigenen Augen zu sehen.
Unsere großen Ferien hatten begonnen, die vier Kinder waren schon zur Erholung nach Münder a.D. [Bad Münder am Deister] im Voraus gefahren, meine Frau und ich wollten anfangs August nachreisen. Es kam anders. Am Abend des 1. August machte ich mich allein auf den Weg, um die Kinder zurückzuholen mit dem festen Vorsatze, so schnell wie möglich die Familie zusammen zu haben, koste es, was es wolle. Um 10.10 Uhr Abends fährt der letzte Zug nach Lödingsen; fahrplanmäßig konnte ich am anderen Morgen 7.30 in Münder sein. Also auf den Weg. Um 9 Uhr war ich schon in Lödingsen. In rasender Eile kommt eine Lokomotive mit einem höheren Beamten aus Göttingen, der die Bekanntmachungen betreffend Mobilmachungstage, Fahrplanänderungen
[An dieser Stelle endet die Darstellung]


Postkarte aus dem Reserve-Lazarett Verden

Ernst Glahe (hintere Reihe 4. von rechts) schreibt am 26.7.1918 aus dem Lazarett Verden
an seine Schwester Lina [später verheiratet mit Paul Müller]:

"Liebe Schwester Lina!
Zum ewigen Gedenken an Deinen Bruder Ernst
aus dem Reserve-Lazarett Verden.
Möge der Herrgott geben,
daß wir diese Zeit gut überstehen!
Ernst"

Foto: Ingeborg Glahe


* * * * * * *



Originaldokument: Sammlung Ulrich Dähn


Der Frontsoldat Carl Brede [1880-1970] erhält im Jahre 1917 von seiner Schwester Berta aus Düsseldorf einen Feldpostbrief, in dem sie ihm die [kriegsbedingten] Probleme im Betrieb ihrer Familie schildert.

Neben einer Kolonialwarenhandlung, dem Gasthaus Zur Post und der Poststelle bewirtschaftete Carl Brede in Hettensen noch einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb sowie eine Kohlenhandlung.


Auf die detaillierte Wiedergabe des weiteren [vertraulichen] Inhalts wurde bewusst verzichtet.







Hettensen unterm Hakenkreuz



Schlägerei zwischen Arbeitern und Nationalsozialisten

Nach einem Gespräch mit Albert Müller [1910-1998]


Am 10. Juli 1932 war nach heftigen und gewalttätigen Auseinandersetzungen während eines Propagandaaufmarsches der Nationalsozialisten in Beverungen der SA-Mann Ludwig Decker aus Arenborn seinen schweren Verletzungen erlegen.

Auf der Fahrt zu Deckers Beerdigung am 13. Juli 1932 bewarfen Nationalsozialsozialisten in den Nachmittagsstunden von offenen Lastwagen aus den Rentner Ludwig Puchmüller aus Hettensen mit Steinen, als er ihr 'Sieg Heil!' nicht erwiderte. Ihre Drohung, am Abend noch einmal vorbeizukommen und Hettensen ausräuchern zu wollen, veranlasste die jüngeren Steinarbeiter, sich bei Einbruch der Dunkelheit zu formieren, mit Knüppeln zu bewaffnen und sich anschließend im Beckerschen Garten [Gartengrundstück Kämmer] oberhalb der Hinterdorfstraße [Bornbreite] zu verstecken. Von diesem Hügel aus, der nur über einen steilen Hang zu erreichen war, hatten sie direkten Blick auf die Dorfstraße und den Thieplatz in der Ortsmitte.

Gegen 22.30 Uhr fielen etwa 300 Anhänger der Nationalsozialisten aus Moringen, Hardegsen, Lödingsen und Ellierode in Hettensen ein. Nachdem sie ihre Lastwagen am Thie gestoppt hatten, sprangen sie von den Fahrzeugen und schlugen wahllos auf Passanten ein. Anschließend wollten sie in der Gastwirtschaft Krüger Radau machen. In diesem Augenblick griffen die Hettenser Steinarbeiter ein und bewarfen die Nazis von ihrer sicheren Stellung aus mit Steinen. Als die Nationalsozialisten den Hügel erstürmen wollten, kam es zu einer Massenschlägerei, bei der zahlreiche ihrer Anhänger niedergeschlagen wurden. "Sie konnten die Verletzten gar nicht so schnell wegtragen, wie sie umgeschlagen wurden." Zumindest zogen die "Braunen Gesellen" [A. Müller] sich dann sehr schnell zurück, weil sie eingesehen hatten, dass hier "kein Blumentopf zu gewinnen war".

Trotz tagelanger Verhöre haben die Hettenser Steinarbeiter der Staatsgewalt getrotzt und niemanden aus ihrer Mitte verraten.





Nationalsozialisten an der Macht


Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 wurde das politische Leben weitgehend verändert. Die eigentliche politische Macht verkörperte nunmehr die NSDAP [Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei]. Bis in die untersten Gliederungen hatten Parteifunktionäre das Sagen; sie gaben die Richtlinien der Politik vor. So war nach der Kreisleitungsebene neben dem Ortsbauernführer der Ortsgruppenleiter die maßgebliche Person, die vor Ort die Staatsgewalt ausübte.

Das Protokoll des Gemeinderates vom 17. Juli 1935 -nachfolgend im Original zu sehen- verdeutlicht diesen Tatbestand, denn die neu verabschiedete Hauptsatzung der Gemeinde Hettensen konnte erst dann rechtskräftig werden, wenn der Beauftragte der NSDAP dieser Neufassung zugestimmt hatte.



Protokoll der Ratssitzung vom 17. Juli 1935




Das obige Protokoll im Wortlaut:

Anwesend:
Gustav Oehlmann - Gustav Metje - August Friedrichs - August Ische
Louis Falke - Gustav Otte - Heinrich Diederich

Zu der heute ordnungsmäßig einberufenen Sitzung der Gemeinderäte hatten sich die hier neben aufgeführten Personen eingefunden.
Mit den erschienenden [Erschienenen] wurde die Hauptsatzung der Gemeinde Hettensen eingehend beraten.
Nach Abschluß der Beratung wurde dem Unterzeichneten Bürgermeister die nachfolgende Hauptsatzung, vorbehaltlich der Zustimmung des Beauftragten der NSDAP erlassen.

§ 1
Das Amt des Bürgermeisters wird ehrenamtlich verwaltet.

§ 2
Dem Bürgermeister stehen 2 ehrenamtliche Beigeordnete zur Seite.

§ 3
Die Zahl der Gemeinderäte beträgt 6

§ 4
1. Zur beratenen Mitwirkung werden für folgende Verwaltungszwänge Beiräte bestellt
a. für finanzielle Angelegenheiten
b. für Angelegenheiten des Wohlfahrtswesens
2. Der Bürgermeister kann nach Bedarf Beiräte zur beratenden Mitwirkung in bestimmten Einzelfragen berufen.

§ 5
Der Bürgermeister erhält eine Aufwandsentschädigung. Ihre Höhe bemißt sich nach den auf Grund der ersten Ausführungs-Anweisung zu § 27 der D.G.O. [Deutschen Gemeinde-Ordnung] zu erlassenden Richtlinien.

§ 6
Diese Satzung tritt an dem der Bekanntmachung folgenden Tage in Kraft. Gleichzeitig tritt die bisher geltende Satzung über die Zahl der Schöffen und Gemeinderäte außer Kraft.

Hettensen, den 17. Juli 1935
Der Bürgermeister


Punkt 2:
Für den Gemeinderat Ernst Herbst wurde, da [] er in drei Sitzungen nicht erschienen ist, so ist anzunehmen, daß er kein Interesse an den Beratungen der Gemeinde hat. Es wurden folgende Herren zu Gemeinderäten in Vorschlag gebracht.
1. Bauer Friedrich Ische
2. Bäcker Hermann Fuß


v. g. u.
August Ische - Gustav Oehlmann
Der Bürgermeister
Wienecke






Während des Krieges


In der Zeit zwischen 1939 bis Kriegsende 1945 wurden keine Eintragungen im Protokollbuch der Gemeindevertretung vorgenommen. Wahrscheinlich sind die Niederschriften, die der Ortsgruppenleiter in einem besonderen Protokollbuch der NSDAP hat anfertigen lassen, bei Kriegsende vernichtet worden. Nahezu sämtliche Hinweise auf die Zugehörigkeit zur NSDAP oder einer ihrer Gliederungen hat man bei Beginn der Besatzungszeit beseitigt. In erster Linie waren dies natürlich schriftliche Dokumente, die ein eindeutiges Zeugnis über das persönliche Engagement während der Zeit des Nationalsozialismus' hätten ablegen können.

So stützen sich die folgenden Abschnitte in weiten Teilen auf mündliche Überlieferungen von Zeitzeugen. So weit möglich, sind aber auch vorhandene Unterlagen wie Zeitungsausschnitte und Originaldokumente mit einbezogen worden.




Parteigerichtsverfahren 1937


Heinrich Diederich [1906-1972], arbeitet in der im Jahre 1900 gegründeten Tischlerei seines Vaters Albert als Geselle. Nebenbei bewirtschaftet die Familie einen landwirtschaftlichen Betrieb mit 36 Morgen Acker- und Grünland sowie einem geringen Anteil Waldbesitz.

Den Beruf des Tischlers hatte er im elterlichen Unternehmen erlernt, in dem in der Regel drei Gesellen sowie ein Lehrling beschäftigt waren.

Im Jahre 1920 gehörte er zusammen mit Friedrich Denecke, Hermann Glahe, Karl Heese, Adolf Herborg, Heinrich Ische, Hermann Ische, August Kreitz, August Kulp, Louis Leonhardt, Kurt Ruwisch, Alfons Viece, Albert Wienecke, August Wienecke und Karl Wienecke zu den Gründungsmitgliedern des Sportvereins Hettensen.

Diese Männer schufen drei Jahre später auch die Voraussetzungen für den Bau des Sportplatzes auf dem Mühlenberg, indem sie den dort befindlichen Baumbestand einer Kiefernschonung des Gutbesitzers Scheer eigenmächtig "rodeten". Diese Angelegenheit, eigentlich ein Straftatbestand, wurde damals ohne größeres Aufheben durch Gespräche zwischen dem Gemeinderat und dem Rittergutsbesitzer bereinigt.

Nach den durch Inflation und Weltwirtschaftskrise geprägten Spätjahren der Weimarer Republik schließt sich der 27-jährige Heinrich Diederich als politisch relativ unerfahrener junger Mann der nationalsozialistischen Bewegung an. Ein Amt in der NSDAP übernimmt er allerdings nicht.
Im Jahre 1933 erhält er jedoch einen Sitz in der hiesigen Gemeindevertretung [Gemeinderat].

Während seiner Mitgliedschaft in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter-Partei kommt es immer wieder zu Konflikten mit den Parteigliederungen, denen Diederich aber ganz bewusst nicht aus dem Wege geht.
Den Nationalsozialisten, die eine weitestgehende Gleichschaltung und die umfassende Ausrichtung der "Volksgenossen" auf ihre Partei und deren Ziele anstreben, ist der inzwischen zu einem kritischen Mitglied gereifte Tischler ein Dorn im Auge.

So wird Diederich Anfang des Jahres 1937 vom Vorsitzenden des Gaugerichtes Süd-Hannover-Braunschweig, von Wnuck, zu einer Vernehmung nach Hardegsen vorgeladen.
Der Hettenser Stützpunktleiter [Adjudant des Ortsgruppenleiters] teilt ihm zu einem späteren Zeitpunkt in einem separaten Schriftstück den genauen Ort der Gaugerichtsverhandlung mit.

In der Ladung weist man den Beschuldigten darauf hin, dass er über die Vorladung an sich sowie über den Gegenstand der Verhandlung Stillschweigen gegenüber jedermann zu bewahren habe. Auch wird die Hinzuziehung eines Anwalts nicht zugelassen.





Auf Grundlage des Ergebnisses der am 18. Februar 1937 im Rathaus der Stadt Hardegsen erfolgten Untersuchung fasst das Gaugericht folgenden Beschluss, über den Heinrich Diederich später schriftlich informiert wird:


Einstweilige Verfügung

Gemäß § 4 Absatz 7 der Satzung schließe ich Sie hiermit im Einverständnis mit dem Vorsitzenden des Kreisgerichts Northeim wegen Verstosses gegen § 4 Abs. 2.b. und 3.c. der Satzung aus der NSDAP aus.

Gründe
1. Sie haben sich geweigert, im Jahre 1935 und 1936 den Beitrag zum Reichsparteitag zu zahlen.
2. Sie haben sich dauernd geweigert, Plaketten zu kaufen, sogar die Plakette zum Erntedanktag haben sie nicht gekauft.
3. Sie haben sich schroff geweigert auch nur eine Obstdose für das WHW [Winterhilfswerk] zu liefern, obwohl sie eine sehr reichliche Obsternte gemacht haben.
4. Für die Eintopfspende haben sie nichts geopfert.
5. Ebenso nicht für die Hitlerflachsspende.
6. Sie haben sich geweigert, die Spende des Reichsnährstandes für das WHW zu liefern.
7. Sie haben dauernd Streitigkeiten mit der NSDAP.

Dies alles haben Sie getan, obwohl Sie eine gut gehende Tischlerei und einen Erbhof von 36 Morgen besitzen. Sie haben daher gegen die Bestrebungen der NSDAP verstossen und grosse Interesselosigkeit bewiesen.“


Heinrich Diederich scheidet folgerichtig im Februar 1937 sowohl aus der NSDAP als auch aus dem Rat der Gemeinde Hettensen aus.


Während des Zweiten Weltkrieges wurde er im Herbst 1939 zu den Landesschützen nach Hannover eingezogen. Nach verschiedenen Einsätzen in Quedlinburg, in der Altmark und bei Magdeburg ist er 1943 mit dem Status „kriegsverwendungsunfähig“ aus der Wehrmacht entlassen worden.

Da er aber nicht arbeitsunfähig war, wurde er von 1943 bis 1945 bei der Deutschen Reichsbahn im Bereich des Göttinger Güterbahnhofes als Tischler u.a. zur Reparatur von Güterwagen beschäftigt.

Bei einem der zahlreichen Fliegerangriffe in den letzten Kriegswochen hatten die Mitarbeiter der Tischlerei unter einem der dort abgestellten Waggons Schutz gesucht. Trotzdem erlitt Diederich durch Splittereinwirkung mehrere Verletzungen.

Nach dem Angriff fand er in einem der zahlreichen Bombentrichter seine Arbeitsjacke mit den darin befindlichen Ausweispapieren der DR [Deutsche Reichsbahn]. Diese haben ihm später wertvolle Dienste erwiesen.

Im Frühjahr des Jahres 1945 war Heinrich Diederich als Teil des „letzten Aufgebotes“ noch für den Einsatz an der Ostfront vorgesehen.
Ihm wurde befohlen, sich auf dem Bahnhof in Northeim zu melden, wo die Wehrmacht einen Zug zusammenstelle, der die eingezogenen Männer an den geplanten Einsatzort transportieren sollte.

Unter dem Vorwand, noch einmal die Toilette aufsuchen zu müssen, hat er sich absetzen können. Die anderen Kameraden aus dem Raum Hardegsen/ Moringen, die an diesem Tag an die Front gebracht wurden, hat er nie wieder gesehen.

Auf dem Heimweg von Northeim nach Hettensen ist er von einmarschierenden amerikanischen Soldaten aufgegriffen worden. Diese ordneten ihn aufgrund der von der Reichsbahn ausgestellten Dokumente, die er bei sich trug, nicht als Soldat ein, so dass ihm die Gefangenschaft erspart blieb.

Nachdem er die Prüfung zum Tischlermeister bestanden hatte, übernahm Heinrich Diederich im Jahre 1950 den elterlichen Betrieb in der Friwoler Straße 15 [damals Oberdorfstraße].

Ende der 1960er Jahre gab Diederich seinen Handwerksbetrieb auf, verkaufte die Wohn- und Wirtschaftsgebäude und errichtete im Harkesanger einen Aussiedlerhof.

Aus der Ehe mit seiner Ehefrau Rosa sind die Töchter Margret und Leni sowie die Söhne Albert und Heinrich hervorgegangen.







Ackerbaugenossenschaft


I. Kontingentierung

Der Verband ländlicher Genossenschaften Hannover-Braunschweig e.V. teilt der Ackerbau-Genossenschaft Hettensen in seinem Rundschreiben 21/40 vom 29. August 1940 mit:

"Auf Anweisung des Reichswirtschaftsministers hat die Reichsgruppe Handel dem Reichsverbund ein sogenanntes U-Kontingent für die landwirtschaftlichen Genossenschaften zur Verfügung gestellt.

Dieses Kontingent soll dienen
1. für die Beschaffung von Verpackungsmaterial (Nägel, Bandeisen, Heftdraht pp.) für den eigenen Bedarf des antragstellenden Betriebes
2. für die Instandsetzung betrieblicher Einrichtungen [...] oder sonstige Reparaturen an lebensnotwendigen Betriebseinrichtungen
3. für die Ersatzbeschaffung unentbehrlicher Betriebseinrichtungen [...]

Im Bedarfsfalle bitten wir die Genossenschaften, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Wir werden dann die näheren Bedingungen, unter denen die U-Kontingente gewährt werden, mitteilen und auch die erforderlichen Vordrucke für die Anträge übermitteln.
Heil Hitler!
gez. Herbst"



II. Verpflegung des Gespannführers

Die landwirtschaftliche Selbsthilfe-Einrichtung der 'Bramburger', die Ackerbaugenossenschaft Hettensen, war auch während der Zeit des Nationalsozialismus' aktiv. Zeitweise, da die Mehrzahl der männlichen Mitglieder als Soldat im Einsatz war, musste ein Fremdarbeiter als Gespannführer beschäftigt werden. Er betreute die genossenschaftseigenen Pferde, zog mit den Tieren zur täglichen Arbeit auf die Felder und war für Bedienung und Pflege des Geräts zuständig.
Dieser Gespannführer war tagsüber von demjenigen Genossenschaftsmitglied zu verpflegen, dessen Ländereien gerade beackert wurden.
In teilweise noch vorhandenen Unterlagen der im Jahre 1966 aufgelösten Genossenschaft ist ein Dokument zu finden, aus dem hervorgeht, dass im Jahre 1942 zwei ihrer Mitglieder "wegen Nichterfüllung der Genossenschaftspflichten i.S. Verpflegung des Gespannführers Josef Lecksch" zum Jahresende aus dem Kreis der Genossen ausgeschlossen worden sind.
Gegen diesen Beschluss des Vorstandes war innerhalb von vier Wochen Einspruch beim Aufsichtsrat der örtlichen Genossenschaft möglich.



III. Nicht abgeführte Spende

Der Genossenschafts-Dachverband verweist am 30. September 1942 auf den Aufruf zur Beteiligung an der Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft. Der Verband hatte den auf ihn selbst und die angegliederten Genossenschaften entfallenden Betrag für das Spendenjahr [1942/43] der Eilbedürftigkeit halber bereits an den Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften -Raiffeisen- e.V., Berlin, abgeführt [...].

"Wir bitten unsere Genossenschaften, zumal die Ertragslage nicht ungünstig sein dürfte, uns ihrer Leistungsfähigkeit entsprechende Beiträge zur Adolf-Hitler-Spende auf unser Konto bei der Landesgenossenschaftsbank e.G.m.b.H., Hannover, zu überweisen. Wir hoffen, daß genügend freiwillige Beträge aufkommen und wir von einer Veranlagung der einzelnen Genossenschaft absehen können. [...]"



Die diesem Schreiben beigefügte Bescheinigung Nr. 2078940
hat der Sohn [Rolf] des damaligen Rechnungsführers [Ernst Glahe]
der Ackerbaugenossenschaft mit dem handschriftlichen Vermerk

Spende ist nicht abgeführt.
GL 24.9.42

versehen.




Die Nichtabführung der erbetenen Spende hatte folgende Gründe:

1. Die Ertragslage der hiesigen Genossenschaft war nicht so günstig, wie der Verband sich dies ausmalte. Es war mitunter schwierig, den Gespannführer fristgerecht zu entlohnen. Dem Rechnungsführer [Ernst Glahe] war es oft nur möglich, dem Angestellten Lohn-Abschläge zu zahlen. Häufig konnte aufgrund des geringen Kassenbestandes der dem Gespannführer zustehende Verdienst erst zum Monats- oder gar zum Jahresende spitz abgerechnet und vollständig ausgezahlt werden.

2. Andererseits konnte und wollte sich die Mehrzahl der Genossenschaftsmitglieder nicht unbedingt mit dem nationalsozialistischen Gedankengut anfreunden. Vielmehr gehörten viele von ihnen der Arbeiterbewegung an, die bekanntlich passiven und aktiven Widerstand ausübte. Dieser Tradition folgend, sah man aus vordergründig wirtschaftlichen Gründen davon ab, die Kriegswirtschaft mit einer Geldspende zu unterstützen.











Die NSDAP verleiht das Ehrenkreuz der Deutschen Mutter






Ehrenkreuz der Deutschen Mutter in Silber









Tod eines Eisenbahners

Nach Erinnerungen von Helene ter Fehr, geb. Klinge


August Klinge, 41 Jahre alt und wohnhaft in Erbsen, verrichtet am 8. April 1945 wie gewöhnlich seinen Dienst als stellvertretender Bahnhofsvorsteher auf dem Bahnhof in Lenglern. Sein Vorgesetzter bei der Deutschen Reichsbahn ist der Bahnhofsvorsteher Klapproth.

An diesem Tage fährt Klinge nicht wie üblich mit dem Fahrrad von Erbsen nach Lenglern, sondern er wählt den Deckung bietenden Fußweg entlang des Bahndammes, da die vorrückenden amerikanischen Truppen bereits Dransfeld sowie die Straße von Barterode nach Esebeck erreicht haben und Tieffliegerangriffe an der Tagesordnung sind. Der normale Zugverkehr zwischen Bodenfelde und Göttingen ist zu diesem Zeitpunkt bereits eingestellt.
Klapproth gibt wegen der unübersichtlichen und immer kritischer werdenden Lage seinem Stellvertreter mit auf den Weg, ihm die sichere Ankunft und Dienstbereitschaft in Emmenhausen vom dortigen Diensttelefon aus zu melden.

Als August Klinge Emmenhausen erreicht, sieht er dort, zwischen dem Haltepunkt und seinem Heimatort Erbsen, ein Eisenbahn-Flak-Geschütz [Flak = Flieger-Abwehr-Kanone] stehen, das in Richtung Barterode bzw. Dransfeld feuert. Dieses Geschütz war in der Nacht zuvor bei Vernawahlshausen von amerikanischen Tieffliegern angegriffen worden, hatte dann aber versucht, in Richtung Göttingen zu entkommen und war schließlich bei Emmenhausen in Stellung gegangen.

Am Personen-Haltepunkt bedient sich Klinge des Bahntelefons, um Vorsteher Klapproth die glückliche Ankunft zu melden. Dabei erwähnt er auch das in der Nähe befindliche Flak-Geschütz. Zwei SS-Offiziere, die das Gespräch mithören, verhaften ihn sofort und bezichtigen den Eisenbahner des Verrats und der Spionage. Ihm wird unterstellt, den derzeitigen Standort des Flak-Zuges per Telefon verraten zu haben. Er wird mit einem Kraftfahrzeug der SS nach Adelebsen gefahren, wo Bewohner des Fleckens ihn erkennen und sich für die Freilassung des integren Erbser Bahnbeamten einsetzen. Diese Adelebser werden von den SS-Männern mit den Worten "Haltet euer Maul, sonst erschießen wir euch auch!" eingeschüchtert. Wenig später fährt das Fahrzeug über Lödingsen nach Hettensen.
Das Eisenbahn-Flak-Geschütz bei Emmenhausen wird von amerikanischen Geschossen zur gleichen Zeit schwer getroffen und zerstört.

Frau Klinge und ihre Tochter Helene warten unterdessen auf die Ankunft des Ehemannes und Vaters, der laut Dienstplan eigentlich schon hätte zu Hause angekommen sein müssen. Bis Mitternacht harren die beiden Frauen aus, doch schließlich gehen sie zu Bett, in der Annahme, es bestehe ein dienstlicher Grund für die Verspätung des Vaters.

In Hettensen angekommen, biegt der Wagen der SS gegen 18.00 Uhr zwischen Schafstall und Wohnhaus Ahlborn in den Graseweg ein. Nach wenigen Metern hält das Fahrzeug, die SS-Männer springen herunter und treiben August Klinge vor sich her. Dieser muss hinter der Scheune auf dem Grundstück der Familie Walter Ahlborn [nordwestlich des Graseweges] mit Schaufel und Spaten eine Grube ausheben.
Angsterfüllte Schreie sowie Rufe nach Frau und Kindern mischen sich unter das Feuer der Maschinenpistolen. Hektisch verscharren dann die SS-Männer den leblosen Körper des Eisenbahners, springen auf das Fahrzeug und rasen in Richtung Lödingsen davon.
Die beiden SS-Männer fallen an einem der folgenden Tage bei Kampfhandlungen in der Nähe von Gladebeck.

In den Morgenstunden des 9. April rücken amerikanische Panzerspitzen in Hettensen ein. Einwohner der Ortschaft entdecken an diesem Tage das notdürftig verschlossene Grab, weil eine Stiefelspitze des Toten nicht mit Erde bedeckt ist.

Etwa eine Woche später kommt der Vater des Ermordeten, dem Hinweis eines Hettenser Mädchens [Gertrud Götemann, geb. Leonhardt] nachgehend, zu Fuß nach Hettensen um seinen Sohn zu suchen. Der freigelegte Leichnam wird von ihm als sein Sohn identifiziert und daraufhin mit einem Pferdefuhrwerk nach Erbsen gebracht und im Pfarrhaus aufgebahrt.

Da auf Geheiß der Militärregierung Versammlungsverbot herrscht, dürfen bei August Klinges Beerdigung die Angehörigen nur in Gruppen zu je sieben Personen zur Gruft auf dem Friedhof gehen, um von ihm Abschied zu nehmen. Ihm die letzte Ehre zu erweisen wird der Bevölkerung somit versagt.


* * * * * * *


Nachzutragen bleibt, dass die Tochter Helene, damals 13 Jahre alt, die Geschehnisse um den 8. April 1945 noch immer nicht ganz verarbeitet hat. Besonders bedrückend ist für sie die Tatsache, dass sie und ihre Mutter Soldaten der Waffen-SS bei deren Ankunft in Erbsen Anfang April 1945 mit frisch gebackenem Kuchen und Kaffee beköstigt haben. Wahrscheinlich waren darunter sogar die beiden Männer, die zwei Tage später ihren Vater nur wenige Stunden vor dem Eintreffen der amerikanischen Truppen in Hettensen erschossen.







Militärdienst und Gefangenschaft


Rolf Glahe [1925-1999], der am 1. November 1941 als so genannter Dienstanfänger eine Ausbildung bei der Stadtverwaltung Göttingen begonnen hatte, wurde am 25. August 1943 zum Wehrdienst einberufen. Die sechswöchige Grundausbildung erfolgte in der 2. Kompanie des Grenadier Ersatz-Bataillons 194 in der Ziethen-Kaserne in Göttingen.

Viele seiner Kameraden in der Wehrmacht, die das Bestreben hatten, Offizier zu werden, mussten nach dieser ersten soldatischen Ausbildung zur "Frontbewährung" an die Ostfront. Er entschied sich jedoch für die "normale" militärische Laufbahn und hatte damit eine für sein weiteres Leben glückliche Entscheidung getroffen. Es sollte -ohne es damals genau zu wissen- quasi der Garantieschein fürs Überleben gewesen sein.

Wie im vierten Kriegsjahr üblich, folgte unmittelbar im Anschluss an die Grundausbildung der Einsatz bei der "kämpfenden Truppe". Die noch unerfahrenen Landser aus Göttingen und Umgebung wurden der 2. Kompanie des Grenadier-Regiments 128 zugewiesen.

Dieses Regiment war an der Westfront nahe dem Pas de Calais in der Gegend von Middelkerke (Belgien) stationiert. Dort hatten sowohl der Oberbefehlshaber West [Generalfeldmarschall von Rundstedt] als auch der Wehrmachtführungsstab [WFSt] eine mögliche Invasion der Alliierten erwartet, da dies die engste Stelle der Meerenge zwischen Großbritannien und Frankreich, ist.

Bis auf die eher verhaltenen Anschläge der Résistance verbrachten die 128er dort jedoch relativ ruhige Tage. Nach einer Verwundung wurde der Obergrenadier Glahe im Mai 1944 drei Wochen lang auf dem Hauptverbandsplatz Wulveringem (Belgien) stationär behandelt.

Die militärische Lage änderte sich schlagartig, als am 6. Juni 1944 an ganz anderer Stelle, nämlich in der Normandie, die Invasion der Alliierten [Aktion Overlord], begann. Die militärische Führung verlegte sodann das Gren. Regt 128 an die Invasionsfront in den Großraum Melun [südlich von Paris], wo die Soldaten in heftige Gefechte verwickelt wurden. Aufgrund der Übermacht des Gegners wurde das gesamte Regiment dort eingekesselt und der gerade am 1.8.1944 zum Gefreiten beförderte Hettenser geriet mitsamt seinen Kameraden der 2. Kompanie am 27. August 1944 in der Nähe von Chevery in amerikanische Gefangenschaft.

Als Gefangener mit der Kriegsgefangenennummer 31 G 679579 gelangte er über Chartres (29.8.1944) und Alancon (3.10.1944) schließlich am 2. November 1944 nach Cherbourg in der Normandie, wo im Hafen amerikanische Transportschiffe, die Nachschub für die alliierten Soldaten an die neue Front in Europa brachten, zu entladen waren. Da Rolf Glahe über englische Sprachkenntnisse verfügte, wurde er in der 8337. Labour Service Company bald auch als Dolmetscher eingesetzt. Weil die Verpflegung schlecht und der Hunger groß war, "organisierten" sich die PWs [Prisoner of War] trotz Androhung härtester Strafen aus den Bäuchen der alliierten Schiffe Lebensmittelkonserven, die eigentlich für die kämpfenden Truppen der Amerikaner, Engländer und Kanadier bestimmt waren.


Entlassungsschein aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft (Vorderseite)




Entlassungsschein aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft (Rückseite)



Am 21. Dezember 1945 wurde Glahe nach erfolgter medizinischer Entlassungsuntersuchung mit dem Tauglichkeitsgrad "fit for labor" [arbeitsfähig] aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft entlassen. Mit dem von 1st Lieutenant Howard W. Magner unterzeichneten Entlassungsschein (s.o.) in der Tasche trat er von der französischen Kanalküste aus den Rückweg in die Heimat an. Seine Heimatgemeinde Hettensen erreichte der damals auf knapp 50 Kilogramm abgemagerte Zwanzigjährige in den frühen Abendstunden des 23. Dezember 1945.

Nachdem er bei nur spärlicher Straßenbeleuchtung mehrfach an die Haustür seines Elternhauses geklopft hatte, schaute seine Mutter Frieda durch ein kleines Fenster in der Tür, und, da sie den "Besucher" in der Dämmerung des Vor-Weihnachtsabends nicht identifizieren konnte, rief sie ihren Ehemann Ernst herbei, der nach dem "bärtigen fremden Mann" sehen sollte. Der Vater erkannte seinen Sohn jedoch sehr schnell und das freudigste Weihnachtsfest seit Jahren konnte trotz Knappheit an Lebensmitteln -und ganz ohne Geschenke- gefeiert werden.

Im Januar 1946 setzte Inspektorenanwärter Glahe seine Ausbildung in den verschiedenen Ämtern bei der Stadtverwaltung in Göttingen fort. Unter anderem oblag es ihm während seiner Zeit im Ernährungsamt, die für die Rationierung der Nahrungsmittel notwendigen Lebensmittelkarten von der in Hannover eingesetzten Regierung nach Göttingen zu holen.
Im Jahre 1962 wechselte er nach abgelegter Verwaltungsdiplom-Prüfung an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie in Göttingen im Zuge des Göttingen-Gesetzes zum Landkreis Göttingen, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1990 das Finanzverwaltungsamt leitete.
Parallel dazu führte er als Fachlehrer am Niedersächsischen Studieninstitut für den Öffentlichen Dienst in Göttingen im Fach "Haushalts- und Kassenwesen" die Abschlusslehrgänge und -prüfungen für die Auszubildenden der Kommunalverwaltungen aus den Landkreisen, Städten und Gemeinden in Niedersachsen durch.






Tagebuch des Hans Ische

Unteroffizier der Panzertruppe

Ostfront 1943

Die folgenden Eintragungen sind wörtlich aus seinem Tagebuch übernommen worden.
Nicht lesbare Eintragungen, in der Regel Ortsbezeichnungen, sind durch [...] gekennzeichnet.




23.-30.01. Truppenübungsplatz Grafenwöhr
30.01. 4 Uhr morgens Abfahrt zum Osten über Hof, Plauen, Reichenau, Zwickau, Hohenstein,Chemnitz, Dresden, Cottbus, Glogau, Ostrau
31.01. Frauenstadt, Litzmannstadt, Warschau, [...]
05.02. Ankunft in Siska
10.02. Halt vor Brgjensk (18 km) Fliegerangriff
11.02. Zurück nach Umtsche. Bomben auf das Nebengleis
12.02. In Umtsche. Nachmittags Weiterfahrt nach Klinzi
17.02. Abfahrt nach Gomel
19.02. In Lyow ausgeladen. 6 km Nachtmarsch mit Gepäck im Schneesturm.
Beim Stab einquartiert.
20.02. Kameraden im Lazarett besucht. Die erste Post mit Feldpostnummer abgeschickt
21.02. Nach Maritza zum Stab. Von da aus in der Nacht per LKW zum Bataillonsstab
22.02. Wieder bei der alten Kompanie. Dieses Mal beim 2. Zug. Zugführer Leutnant Gerber
23.02. In den frühen Morgenstunden und mittags auf Spähtrupp. Um 17 Uhr Rückmarsch. zurück nach Maritza
24.02. Abfahrt über Lyow. per LKW Richtung Süden. Abends Quartier.
25.02. Immer weiter nach Süden
26.02. Noch weiter nach Süden. Auf dem LKW sehr kalt
27.02. In Rommy. Auf, weiter geht’s! Abends Quartier.
28.02. Spähtrupp über Spähtrupp. Dier erste Gruppe übernommen.
01.03. In der Zuckerfabrik von Lachwitze. Bratkartoffeln und Limonade.
02.03. Gludintsch genommen. Mein erster Angriff. Eine stürmische Nacht.
03.03. In Wezrak einen Tag Ruhe.
04.03. In Wezrak.
05.03. Zurück nach Gludintsch. Dort Quartier.
06.03. Über Lachwitze weiter nach einem kleinen Ort.
10.03. Angriff auf [...]. Kompanie eingeschlossen und gesichert
14.03. Schumaku genommen. Gegenangriff der Russen abgewiesen.
15.03. Spähtrupps
16.03. Bis zum 25.03. Spähtrupps
26.03. 16 Uhr nachmittags Angriff auf Ssenik. Nachtgefecht
27.03. Ssenik in unserer Hand. Die Russen stürmen an. Sie haben hohe Verluste.
28.03. Leutnant Gerber verwundet
30.03. Abgelöst durch Infanterie. Abfahrt von Ssenik abends 20 Uhr. Die ganze Nacht gefahren.
31.03. Eine Fahrt durch Dreck und Schlamm. Am Abend im Wagen geschlafen.
01.04. In der Frühe weiter. Oft festgefahren. Bis über die Achsen im Schlamm. Nachtquartier im Dorf.
02.04. Frühmorgens weiter. Abends den Ort unserer Ruhe: S [...] erreicht. Eine stürmische Nacht und schöne Quartiere.
03.04. In eine andere [...] umgezogen. Zum ersten Mal wieder im Bett geschlafen.
04.04. Bis zum 25. April in S [...]. Ausgefüllt mit Dienst und Apellen.
05.04. Eine schöne Zeit: Kino, Theater
18.04. Unser Abteilungskommandeur mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet.
20.04. Panzerkampfabzeichen erhalten.
25.4. 11.30 Abfahrt von S [...]. Abends in [...]
26.4. 10.00 Verladen mit der Bahn. Am Abend durch U [...]
27.04. Morgens in L [...]. Mittag in Kamatschow ausgeladen. Abends in S [...] (40 km vor Orel) Quartier.
28.04. In S [...] bis zum 10. Mai üblicher Dienst.
07.05. Nach Orel gefahren. In L [...] im russischen Theater.
10.05. Abteilung rückt aus. Kommandiert zur Führeransprache
11.05. Bis zum 11. Juni in Sodki.
09.06. Ankunft der Kompanie vom Partisanenkampf
11.06. Zur Kompanie zurück nach Sawanki
12.06. Bis zum 5.7. in Sawanki
05.07. Abfahrt in Richtung südlicher Orel. Nachtfahrt
06.07. Rast in einem Waldstück. Der Tagesbefehl des Führers vorgelesen.
07.07. Morgens weiter in den Bereitstellungsraum
08.07. Durch die Hauptkampflinie. Unsere Luftwaffe fünf Abschüsse. Nachts russische Flieger
09.07. Geschwader der Russen belegen unseren Aufenthaltsraum mehrere Male mit Bomben. Unsere Luftwaffe gibt es den Ruskis.
10.07. Der bisher schlimmste Tag. Vom Hellwerden bis 4 Uhr nachmittags starkes Artilleriefeuer
11.07. Beim Tross. Kompanie auf Panzern zum Angriff gefahren.
12.07. Im Erdloch im starken Artillerie- und Granatwerferfeuer
13.07. Morgens griffen Russen an. Abends Sturm auf Stützpunkt.
14.07. Wieder starkes Feuer der Artillerie und Granatwerfer
15.07. Zurück. Wir sind in der 2. Linie. Starkes Feuer
16.07. In Stellung vor angreifenden Russen. Leichter Spähtrupp. Nachts Stellungswechsel.
17.07. In Stellung. Starkes Artilleriefeuer. Nachts zurück.
18.07. 30 Kilometer hinter der Front
19.07. Der Russe mit Panzern durchgebrochen
20.07. Artillerie- und Pak-Feuer. 4 Meter vom Erdloch Einschlag.
21.07. Auf Spähtrupp und tagsüber Sicherung
22.07. Auf Spähtrupp und tagsüber Sicherung
23.07. Angriff der Russen mit Panzern. Panzer hinter den Stellungen abgeschossen. Die Infanterie zurückgeschlagen. Als [...] hinter den russischen Linien
24.07. In Erdlöchern auf Sicherung und auf Gefechtsvorposten
25.07. In derselben Stellung auf Gefechtsvorposten. Nachts abgelöst durch Infanterie.
26.07. Morgens mit den Fahrzeugen zurück. Einige Stunden Ruhe hinter der Stellung.
27.07. Als Vorkommando unterwegs. Abends wieder am Feind
28.07. Sumpfiges Gelände. In den Erdlöchern steht das Wasser. Unsere Pumpen liegen [...]
29.07. Ein Dorf weiter. Bis an die Hüften im Sumpf. Am Tage heftiges Feuer von allen Seiten.
30.07. Nachts zurück. Gefechtsvorposten.
31.07. In derselben Stellung. Der Abschnitt ist etwas ruhiger wie die vorigen. Aber dünn besetzt.
01.08. Ein kleiner Stellungswechsel nach links. Übliche Sicherung
02.08. In derselben Stellung. Abends abgelöst durch Infanterie. Mit den Kameraden zurück nach Odriw.
03.08. In aller Frühe weiter. Abend Rast in einem Waldstück.
04.08. Morgens in aller Frühe weiter. Mittags unser Ziel erreicht.
05.08. Morgens Abfahrt in den Bereitstellungsraum. Mittag eine entstandene Lücke ausgefüllt. Eine unruhige Nacht. Panzer feuern in Stellung.
06.08. Heftiges Feuer von Panzern und Artillerie. Abends Angriff der Russen. Nachts zurück auf Panzern aufgesessen.
07.08. In meinen Stellungen ziemlich [...]. 24 Panzer fuhren vor uns her ohne einen Schuß abzugeben.
08.08. In neuen Stellungen. Der Russe stark vertreten. Abends wieder zurück.
09.08. Hinter der Front ein Tag Ruhe. Briefe geschrieben.
10.08. An demselben Ort. Abends weiter. Nachtfahrt.
11.08. In den Mittagsstunden neue Stellungen 5 km von Dramitrowsk.
12.08. In denselben Stellungen. Ein verhältnismäßig ruhiger Abschnitt.
13.08. Abends abgelöst durch Infanterie (31. Infanteriedivision). Das Göttinger Infanterieregiment 82 war dabei. Abends mit den Fahrzeugen zurück.
14.08. Rast in einem Waldstück. Mittags weiter zurück.Quartier in einem Dorf.
15.08. Ein ruhiger Tag. Abends Partisanen [...]
16.08. Unterwegs auf Waldstreife.
17.08. Auf Waldstreife. Abends verlegen in eine andere Ortschaft.
18.08. Hier am anderen Morgen Zelte gebaut.
19.08. Ein ruhiger Tag.
20.08. Auf Panzer[...]. Ein nasser Tag und nette Leute.
21.08. Wieder Durchstreifen nach Partisanen. Gegen Abend im Zeltlager angekommen.
22.08. Ein Tag Ruhe.
23.08. Gefaulenzt den ganzen Tag
24.08. Ein ruhiger Tag. Abends Abmarsch. Verlegung in eine andere Ortschaft.
25.08. Hier morgens Ankunft. Zelte gebaut.
26.08. Abends Abmarsch zum Süden in Gegend von [...].
27.08. Mittags Ankunft in einem abgebrannten Dorf. In der Nacht Abfahrt zum Angriff.
28.08. In den Morgenstunden angegriffen. Zuvor Widerstand. Eingegraben.
29.08. Ein heftiges Feuer von allen Waffen. Abends abgesetzt vom Feinde.
30.08. In neuen Stellungen. Heftiges Artilleriefeuer.
31.08. In derselben Stellung.
01.09. Abends abgesetzt vom Feinde.
02.09. Einige Stunden Ruhe. Noch in Reichweite der Artillerie. Abends Vorfahren zur Stellung.
03.09. Angriff der Russen. Ein heftiger Abwehrkampf.
04.09. Wieder greifen die Russen an. Ein schlimmer Tag. Um 200 m zurück. Abends vom Feinde abgesetzt.
05.09. [...]
06.09. Am Tage Ruhe. Abends für 24 Stunden auf Spähtrupp. Mit dem Boot über die Desna.
07.09. Auf Spähtrupp. Abends abgelöst.
08.09. Ein Tag Ruhe. Abends auf Vorpostenstellung. Diesseits der Desna.
09.09. Am Tage auf Vorposten. Abends abgelöst durch Abmarsch nach Westen. Infanterie
10.09. 35 km westlich gefahren. Quartier in einem ukrainischen Dorf. Abends Abmarsch zum Einsatz
11.09. Zum Angriff nordöstlich N [...]. Vorgegangen gegen einen Brückenkopf.
12.09. In Stellungen. Artillerie- und Granatwerferüberfälle
13.09. In derselben Stellung
14.09. In den Morgenstunden russischer Spähtrupp. Abends auf Horchposten an der Desna.
15.09. In derselben Stellung. Abends am Feind als Nachhut.
16.09. 2 km westlich Nowgorod in neuen Stellungen. Meine Gruppe [...]
17.09. Wieder beim schweren Maschinengewehr-Zug. Abends 19 Uhr vom Feinde gelöst. 20 Kilometer zurück.
18.09. In neuen Stellungen. Der Russe greift mit starken Kräften uns an. 19 Uhr vom Feinde gelöst. 20 Km zurück.
19.09. Im Morgengrauen in die Stellungen. Verhältnismäßig ruhig. Abends 21 Uhr vom Feinde gelöst.
20.09. 3 Mal vom Feinde gelöst. Abends greift der Russe an.
21.09. Im Morgengrauen abgesetzt. Mittags über einen Fluß in neue Stellungen. Der Russe auch schon wieder da.
22.09. Mitten im Wald in Stellung. Angriff der Russen im Morgengrauen. Regelrechter Nahkampf. Ein harter Tag.
26.09. In neuen Stellungen. Verhältnismäßig ruhig. Abends 21 Uhr vom Feinde gelöst.

Dies war der letzte Eintrag.


Der Unteroffizier Hans Ische ist am 26. September 1943, einem verhältnismäßig ruhigen Tag in diesem Abschnitt, an der Ostfront gefallen.

Hans Isches Tagebuch wurde den Angehörigen zusammen mit den persönlichen Gegenständen im Oktober 1943 übersandt.
Es befindet sich heute im Besitz seines Neffen [Günter Ische].






Schicksal eines Vermissten

Hermann Herborg, geb. 18. April 1906
Obergefreiter im Bau-Pionier-Bataillon 219



Frau Marie Herborg hat im August 1944 von ihrem Mann, dem OG Hermann Herborg, letztmalig einen Feldpostbrief aus Rumänien erhalten.

Da alle Nachforschungen in den Nachkriegsjahren vergebens sind, wendet sie sich im Jahre 1969 an den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes [DRK] in München.

Das DRK erstellt nach längeren Recherchen folgendes Gutachten:
"Ausgangspunkt für die Nachforschungen waren die dem Suchantrag entnommenen Angaben, die in die Verschollenen-Bildlisten aufgenommen wurden. Damit sind alle erreichbaren Heimkehrer aus Krieg und Gefangenschaft befragt worden, von denen angenommen werden konnte, daß sie mit dem Verschollenen zuletzt zusammengewesen sind. Diese Befragungen fanden sowohl in der Bundesrepublik als auch in Österreich und anderen Nachbarländern Deutschlands statt.

Ferner sind von anderen Stellen, die Unterlagen über die Verluste im 2. Weltkrieg besitzen, Informationen eingeholt worden. In erster Linie handelt es sich hierbei um das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Genf, die Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Deutschen Wehrmacht in Berlin und die Heimatortskarteien.

Über diese individuellen Ermittlungen hinaus wurde die Frage geprüft, ob der Verschollene in Gefangenschaft geraten sein konnte. Dabei wurden die Kampfhandlungen, an denen er zuletzt teilgenommen hat, rekonstruiert. Als Unterlage dienten dem DRK-Suchdienst Angaben über Kameraden, die der gleichen Einheit angehört hatten und zum selben Zeitpunkt und am selben Einsatzort verschollen sind, Heimkehrerberichte, Schilderungen von Kampfhandlungen, Kriegstagebücher sowie Heeres- und Speziallandkarten.

Das Ergebnis aller Nachforschungen führte zu dem Schluß, daß

Hermann Herborg

mit hoher Wahrscheinlichkeit Ende August/ Anfang September bei den Kämpfen in Rumänien gefallen ist.


Zur Begründung wird ausgeführt:

Nach Zusammenführung starker Angriffsverbände trat die Rote Armee am Morgen des 20. August 1944 in Rumänien zu ihrer Großoffensive gegen die deutsche 6. und 8. Armee an. Nach schwerem Trommelfeuer gelang den von Infanterie gefolgten Panzerverbänden, unterstützt von Schlachtfliegern, sofort der Einbruch in die Hauptkampflinie. Drei Tage hielten die deutschen Divisionen dem Ansturm stand, dann drangen die sowjetischen motorisierten Verbände unaufhaltsam auf die Pruth-Übergänge nach Süden vor, denen von Osten, aus dem Raum südlich Tiraspol, andere Kräfte entgegenkamen. Schon am Abend des 24. August war mit der Einnahme von Husi, Leova, Falciu und Barlad durch die Rote Armee der Masse der 6. und erheblichen Teilen der 8. Armee der Weg nach Westen versperrt.

Die Kapitulation der rumänischen Armee in der Nacht zum 24. August ermöglichte es den sowjetischen Verbänden so, schnell nach Westen vorzustoßen, daß bis zum 31. August ganz Ostrumänien besetzt war.

Unterdessen versuchten die abgeschnittenen deutschen Verbände sich durchzuschlagen. Auf den verstopften Straßen ging der Zusammenhalt unter den Divisionen gänzlich verloren; nur kleineren Gruppen gelang es, unter erneuten schweren Verlusten das tief gestaffelte System feindlicher Sperriegel zu überwinden.

Im Dreieck Jasi-Husi-Kischinew entstand ein großer Kessel, in dem nach tagelangen Kämpfen die Masse der deutschen Divisionen gefangengenommen wurde. Auch einige Kampfgruppen, denen es gelungen war, nach Westen zum Sereth durchzubrechen, sowie Einheiten, die von der Dnjestr-Front nach Süden abgedrängt worden waren, wurden erneut eingeschlossen und gerieten ebenfalls in Gefangenschaft.

Ein großer Teil der in Rumänien eingesetzten Soldaten ist jedoch im Verlauf dieser Kämpfe gefallen. Auch von den Gefangenen verstarben viele infolge seelischer und körperlicher Erschöpfung schon in den ersten Wochen und Monaten, zumal in den Sammellagern Ruhr und Typhus ausgebrochen waren.

Der Verschollene gehörte dem Bau-Pionier-Bataillon 219 an, dessen Kompanien im Frontbogen zwischen Jasi und Tighina im Einsatz standen. Am 22. August, als der Gegner den Durchbruch erzwungen hatte, mußten sie im Zuge der allgemeinen Absetzbewegung den Rückzug nach Westen antreten und gerieten so in den großen Kessel zwischen Jasi und Kischinew. Damit war ihr Schicksal besiegelt.

Da es auch keinen Hinweis dafür gibt, daß der Verschollene in Gefangenschaft geriet oder in einem Lager gesehen wurde, zwingen alle Feststellungen zu der Schlußfolgerung, daß er bei diesen Kämpfen gefallen ist.

München, den 29. Januar 1971

Max Heinrich, Direktor"


* * * * * * * *


Laut Beschluss des Amtsgerichts Moringen (Solling) wurde Hermann Herborg, geboren am 18.4.1906, daraufhin für tot erklärt.
Als Zeitpunkt des Todes ist der 31. Dezember 1945 (24.00 Uhr) festgesetzt worden.






Zeit der Militärregierung


Als die Grenzen der Besatzungszonen am 12. September 1944 in einem Protokoll der Europäischen Beratenden Kommission festgelegt wurden, unterschied man zunächst eine östliche (sowjetische), eine nordwestliche (britische) und eine südwestliche (amerikanische) Zone. Erst als Frankreich als vierte Besatzungsmacht hinzukam, wurden sowohl aus der britischen als auch aus der amerikanischen Zone Teile zugunsten der Franzosen herausgenommen.

Die Gemeinde Hettensen lag im Gebiet der britschen Zone.

Aufgrund einer gemeinsamen Erklärung vom 5. Juni 1945 installierten sich im Laufe des Sommers die Militärregierungen der vier Siegermächte bis in die letzten regionalen Verästelungen. An die Stelle der westlichen militärischen "Einheit" trat ein Nebeneinander dreier Institutionen:
1. Control Commission for Germany/British Element (CCG/BE) in Bad Oeynhausen
2. Office of Military Government for Germany (OMGUS) in Frankfurt a.M.
3. Conseil de Control de la France pour l'Allemagne in Baden-Baden.

Für die Ostzone war schon am 9. Juni 1945 die Sowjetische Militäradministration (SMA) in Berlin-Karlshorst eingerichtet worden.

Von jetzt an gab es keine deutschen Zuständigkeiten mehr; alle Rechts- und Verwaltungsakte wurden, falls deutsche Stellen beteiligt waren, lediglich "im Auftrage der Militärregierung" vollzogen, wenn sie nicht gar einzelgenehmigungspflichtig waren.



* * * * * * *



Entnazifizierung


Von den Alliierten auf den Konferenzen in Jalta und Potsdam bereits 1945 beschlossen, wurde die Entnazifizierung in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands nach dem Alliierten Kontrollrats-Gesetz Nr. 10 durch so genannte Entnazifizierungsausschüsse und Spruchkammern durchgeführt. Ziel war, nationalsozialistische Organisationen möglichst schnell zu zerschlagen und Nationalsozialisten aus Schlüsselstellungen zu entfernen.


Unterschieden wurden:

1. Hauptschuldige
2. Belastete (Aktivisten)
3. Minderbelastete
4. Mitläufer
5. Entlastete.

Die betroffenen Personengruppen wurden aufgefordert, einen Fragebogen über ihren Werdegang in der Zeit zwischen 1933 und 1945 wahrheitsgemäß auszufüllen. Dieser war dann bei dem zuständigen Entnazifizierungsausschuss einzureichen. Nach Überprüfung der Angaben und möglicher Vorladung sowie Zeugenbefragung wurde von diesem Ausschuss dann das Strafmaß oder die Entlastung festgelegt.



Fragebogen der Militärregierung zur Entnazifizierung



Schuldige im Sinne des o.a. Gesetzes konnten bestraft werden mit

- Freiheitsentzug
- Vermögenseinziehung
- Berufsverbot
- Amts- oder Pensionsverlust
- Geldbuße oder
- Verlust des Wahlrechts



Einstellungsbescheid des Entnazifizierungsausschusses Göttingen




Aufforderung zur Zahlung eines Gebührenvorschusses



In den drei westlichen Besatzungszonen waren etwa 6,08 Millionen Menschen von der Entnazifizierung betroffen. Davon wurden jedoch über 95 Prozent als Mitläufer oder Entlastete eingestuft.

Zwischen 1951 und 1954 wurden von den Regierungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland Entnazifizierungs-Schlussgesetze erlassen.






Anordnungen zur Zeit der Militärregierung



I

Aenderungen der Ausgehverbotszeiten
Ab Dienstag, 8. Mai 1945: 21 Uhr bis 5 Uhr früh.

H.J.M. Wilson, Major
Comandg 126 Mil Gov K Det

(Göttinger Mitteilungsblatt vom 9.5.1945)





II

Verordnung

Die 6-km-Reisebeschränkung wird hiermit aufgehoben, jedoch darf niemand seinen gegenwärtigen Wohnsitz in Stadt oder Gemeinde aus irgendeinem Grunde ohne Passierschein verlassen.
Derartige Passierscheine sind bei dem Oberbürgermeister bzw. Bürgermeister der Stadt oder Gemeinde zu beantragen, in welcher der Antragsteller zur Zeit wohnt. Die Anträge werden durch den Oberbürgermeister bzw. Bürgermeister dem zuständigen Militär-Befehlshaber zugeleitet.

H.J.M. Wilson, Major
Comandg 126 Mil Gov K Det

(Göttinger Mitteilungsblatt vom 9.5.1945)





III

Verdunkelung wird für die Zukunft aufgehoben.

H.J.M. Wilson, Major
Comandg 126 Mil Gov K Det

(Göttinger Mitteilungsblatt vom 9.5.1945)





IV

Den Fotografen und Fotofachgeschäften im Stadt- und Landkreis Göttingen ist es verboten, Aufnahmen von den Besatzungstruppen zu machen und Fotoaufnahmen für die Besatzungstruppen zu entwickeln oder Abzüge anzufertigen.

Auf Anordnung der Militärregierung

(Göttinger Mitteilungsblatt vom 16.5.1945)





V

Aufforderung!

Meiner Aufforderung vom 12. Mai 1945 zur Meldung für Aufräumungsarbeiten ist leider nur in geringem Maße Folge geleistet. Offenbar hat die Bevölkerung nicht begriffen, daß jeder verpflichtet ist, am Wiederaufbau unserer Stadt zu helfen. Ich fordere nochmals sämtliche männlichen Personen zwischen dem vollendeten 15. und 60. Lebensjahr auf, die zur Zeit in ihrem Beruf oder Gewerbe nicht oder nicht voll in Anspruch genommen sind, sich

am Donnerstag, dem 17. Mai 1945, morgens 7 Uhr,

auf dem Bauhof, Maschmühlenweg, zu melden.
Wer dieser Aufforderung nicht folgt, wird durch polizeilichen Zwang zur Arbeit herangezogen, außerdem können die Lebensmittelmarken entzogen werden nach dem Grundsatz:

"Wer nicht arbeitet, braucht auch nicht zu essen."

(Göttinger Mitteilungsblatt vom 16.5.1945)





VI

Sofortiger Einsatz zur Landarbeit

Eine Anzahl von Frauen und Mädchen vom Lande ist noch immer in der Stadt, besonders in Geschäften und Büros, beschäftigt. Es ist dringend notwendig, daß diese Frauen und Mädchen sofort zum Arbeitseinsatz auf dem Lande beurlaubt werden. Die Landarbeit ist unter allen Umständen vordringlich.

(Göttinger Mitteilungsblatt vom 16.5.1945)





VII

BY ORDER OF MILITARY GOVERNMENT (4. Juni 1945)

Mit Zustimmung der Militärregierung wird hiermit folgendes bekannt gemacht:

1. Das Landesernährungsamt umfaßt die Reg.Bez. Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Stadt und das Land Braunschweig.

2. Aus diesen Gebieten dürfen Getreide, Vieh, Milcherzeugnisse, Zucker und andere Bezugsscheinpflichtige Lebensmittel in andere Provinzen nur ausgeführt werden, wenn eine schriftliche, mit dem Dienstsiegel versehene Freigabebescheinigung der Mil.Reg. der Provinz Hannover vorliegt. Verstöße werden durch Militär-Gerichte bestraft.

3. Es hat sich nichts an den gesetzlichen Bestimmungen geändert, daß die Lenkung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, wie z.B. Getreide, Kartoffeln usw. von zentraler Stelle, d.h. seitens der zuständigen Wirtschaftsverbände, vorgenommen wird.

4. Jeder Schwarzhandel und jede Schwarzschlachtung muß energisch und unnachgiebig bekämpft werden. Solche Vergehen verstoßen nicht nur gegen das deutsche Gesetz, sondern ebenfalls gegen die Gesetze der Mil.Reg.

5. Alle Preisbestimmungen sind weiter in Kraft. Die Weiterzahlung der sogenannten Rechtsbeihilfen, welche angestrebt wird, dürfte in Kürze geregelt werden.

6. Jeder Landwirt ist nochmals darauf hinzuweisen, daß von seiner Höchstleistung im Erzeugen und in der Ablieferung das Schicksal des deutschen Volkes im kommenden Winter abhängt.

Für die 77. Zuteilungsperiode sind einheitliche Lebensmittelkarten in Vorbereitung.





VIII

Kreisschulamt am 5. Juni 1945 an alle Schulen des Kreises Northeim

Die Wiedereröffnung der vier Grundschulklassen ist in absehbarer Zeit zu erhoffen. Vorbedingung ist die Prüfung der Fragebogen mit den dort aufgeführten Lehrkräften und der von mir eingereichten Lehrbücher durch die Allierte Mil.Reg. sowie die Genehmigung durch dieselbe. Schon jetzt weise ich darauf hin, daß alles nat.soz. Gedankengut grundsätzlich ausgeschieden werden muß.





IX

Landrat am 6. Juni 1945 an die Bürgermeister im Kreis

Die Mil.Reg. hat Hannover zum Sperrgebiet erklärt und duldet keinen Zuzug ohne vorherige Genehmigung.
Ich ersuche Sie, dafür zu sorgen, daß Einzelpersonen oder Gruppen, die bei Ihnen wohnhaft sind, nicht ohne vorherige Verständigung mit der Stadtverwaltung nach Hannover in Marsch gesetzt werden.





X

Landrat am 9. Juni 1945 an Bürgermeister im Kreis

Die Telefonanlagen zwischen den Städten und Landgemeinden im Kreise Northeim dürfen nur von Beamten im Dienstverkehr benutzt werden. Ein anderer Gebrauch der Anlagen ist verboten.
Die Herren Bürgermeister mache ich dafür verantwortlich, daß diese Anordnung befolgt wird.





XI

Polizeichef des Kreises Northeim am 12. Juni 1945 an Bürgermeister und Gendarmerieposten im Kreis

Es hat sich herausgestellt, daß die bisher eingesetzten Gendarmen und Hilfspolizisten nicht ausreichen, um die Ordnung und Sicherheit aufrecht zu erhalten.

Ich ordne daher an, daß die Gemeinden, je nach ihrer Größe, eine Hilfspolizeimannschaft von 10-20 Mann einsetzen, die ihren Dienst ehrenamtlich versieht und nur auf Abruf bei drohender Gefahr sich sofort zur Verfügung stellt. Diese Männer erhalten Ausweise, wie alle anderen Polizeimannschaften.

Als Ausrüstung kommen nur Holz- oder Gummiknüppel oder gedrehte Seile in Frage.
Die bisher eingesetzten Hilfspolizisten haben nur Polizeidienst zu leisten und können daher ihrem bisherigen Zivilberuf nicht nachgehen. Sie sind von der Gemeinde zu entlohnen; dabei ist das frühere Einkommen zu berücksichtigen. Die Einstellung erfolgt jedoch nur auf Widerruf.

Ich erwarte, daß Sie sich somit eine Polizeikraft aufstellen, mit der Sie alle drohenden Gefahren rechtzeitig abwehren können.

Hierzu ist es auch erforderlich, daß in den Gemeinden ein Alarmdienst eingerichtet wird, der einen Soforteinsatz garantiert.

Ich bemerke nochmals, daß die für den Dienst vorgesehenen Personen nicht vor 1933 in der Partei gewesen sein dürfen.





XII

14. Juni 1945

Der Bezirk des englischen Militärkommandanten Herr Major Allen
in Hardegsen umfaßt folgende Gemeinden:

Fredelsloh, Oldenrode, Lutterbeck, Nienhagen, Espol, Üssinghausen, Delliehausen, Trögen, Blankenhagen, Lutterhausen, Ertinghausen, Volpriehausen, Gierswalde, Schlarpe, Hardegsen, Lichtenborn, Ellierode, Hettensen, Asche, Lödingsen, Erbsen, Adelebsen, Wibbecke, Barterode, Eberhausen, Güntersen, Moringen.





XIII

Landrat am 15. Juni 1945 an Bürgermeister und Gendarmerieposten im Kreis

Für Viehtransporte, die aus dem Kreis herausgehen, haben die Viehhändler und Genossenschaften rechtzeitig bei der Kreisbauernschaft Transportbegleitkarten anzufordern, damit der Absatz von Schlachtvieh ordnungsgemäß gelenkt wird. Ich habe festgestellt, daß dagegen verstoßen wird.
Solche sind mir sofort zu melden, damit die Übertreter zur Rechenschaft gezogen werden.





XIV

Landrat am 22. Juni 1945 an alle Bürgermeister im Kreis

Die Militär-Regierung hat angeordnet, daß alle Frauen, die als Personen mit HWG [häufig wechselndem Geschlechtsverkehr] gelten, auf folgende Weise zu behandeln sind:

a) Sie erhalten ordentliche Behandlung von den deutschen Behörden
b) Ihre Namen und Anschrift werden der Militär-Regierung gemeldet
c) Sie werden nach der Heilung aus diesem Bezirk entfernt in ein Gebiet, das nicht von Truppen besucht wird.

Ich ersuche, mir über die Ihnen bekannt gewordenen Fälle unter Angabe der genauen Anschriften sofort zu berichten.





XV

Beschränkungen für Kraftfahrzeuge

1. Vom 6. Juni 1945 an werden alle Kraftfahrzeuge bei der Fahrbereitschaft des Oberbürgermeisters registriert.
Die bisher von den amerikanischen Behörden ausgegebenen Zulassungsurkunden (gelbe Schilder) werden weiterbenutzt.

2. Neue Antragsteller müssen zuerst ein Antragsformular bei der Kraftfahrzeugstelle im Stadthaus ausfüllen.

3. Falls der Antrag genehmigt wird, wird der Wagen registriert und die entsprechende Zulassungsurkunde (gelbes Schild) von der Kraftfahrzeugstelle im Stadthaus ausgegeben.

4. Alle genehmigten Fahrzeuge müssen die Bezeichnung:

CIVILIAN VEHICLE POOL NUMBER ...... GOETTINGEN

tragen. Diese Bezeichnung wird auf beiden Seiten des Fahrzeugs in schwarzen oder weißen drei Zoll hohen Buchstaben aufgemalt. Die einzusetzende Nummer muß die gleiche sein wie die Nummer der Militärregierung auf dem gelben Zulassungsschild.

Das Aufmalen der Schrift wird von August Wolter, Göttingen, Rote Straße 18, für 4,-- RM. je Fahrzeug ausgeführt. Erst nach Aufmalen der Bezeichnung wird das gelbe Zulassungsschild nicht mehr sichtbar befestigt, sondern nur in dem betreffenden Fahrzeug mitgeführt.

Auf Befehl der Militärregierung.

(Göttinger Mitteilungsblatt vom 6.6.1945)





XVI

Abgabe von Oefen

Zur Zeit ist es nicht möglich, den hohen Bedarf an Oefen und Herden durch Neulieferung zu decken. Ich wende mich daher mit der Bitte an die Bevölkerung, alle entbehrlichen Oefen und Herde dem Wirtschaftsamt, Kohlenstelle, anzugeben. Bezahlung der abgegebenen Oefen erfolgt unmittelbar durch die Person, welche den Ofen erhält..

Der Oberbürgermeister

(Amtliche Bekanntmachungen vom 24.11.1945)





XVII

Zuteilung von Brennholz

Ab 28. Januar 1946 werden auf Abschnitt 5 der Brennstoffkarte A zwei Zentner Brennholz von den Kohlenhändlern ausgegeben. Der Abschnitt 5 der Brennstoffkarte verliert am 9. Februar 1946 seine Gültigkeit. Nach diesem Termin dürfen die Kohlenhändler den Abschnitt nicht mehr annehmen. Falls das Holz in Meterkloben ausgegeben wird, beträgt der Preis für 1 Zentner Brennholz RM 2,85.

Der Oberbürgermeister

(Amtliche Bekanntmachungen vom 26.1.1946)





XVIII

Kein Zonenwechsel ohne Paß

Da sich in letzter Zeit die Fälle häufen, daß Personen aus der englischen Zone in die amerikanische überwechseln, die nicht im Besitze eines vorgeschriebenen Passes für den Zonenwechsel sind, wird künftig eine härtere Strafe für dieses Vergehen verhängt, und zwar zehn Tage Haft und 500 RM Geldstrafe.

(Neuer Hannoverscher Kurier vom 9.4.1946)



Pass für deutsche Bürger in der Britischen Zone (1946)






Kennkarte [Ausweis] in Deutschland von 1933-1945






Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland ab 1949






Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland 1959-1987










Verbot der NSDAP


Gesetz des Alliierten Kontrollrates vom 12. Oktober 1945


Ein Gesetz über die Beendigung und Auflösung der Naziorganisationen beschloß der Alliierte Kontrollrat in seiner 8. Sitzung in Berlin.
Das Gesetz hat folgenden Wortlaut:


Artikel I

1. Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, ihre Gliederungen, die ihr angeschlossenen Verbindungen und die von ihr abhängigen Organisationen, einschließlich der halbmilitärischen Organisationen und aller anderen Nazieinrichtungen, die von der Partei als Werkzeug ihrer Herrschaft geschaffen wurden, sind durch vorliegendes Gesetz abgeschafft und für ungesetzlich erklärt.
2. Diejenigen Naziorganisationen, die auf der Liste im Anhang aufgeführt sind, oder solche, die außerdem zusätzlich bezeichnet werden sollten, sind ausdrücklich aufgelöst.
3. Die Neubildung irgendeiner der angeführten Organisationen, sei es unter dem gleichen oder einem anderen Namen, ist verboten.


Artikel II

Jegliche Immobilien, Einrichtungen, Fonds, Konten, Archive, Akten und alles andere Eigentum der durch vorliegendes Gesetz aufgelösten Organisationen sind beschlagnahmt. Die Beschlagnahme wird durch die Militärbefehlsstellen vorgenommen. Allgemeine Richtlinien über die Verteilung des beschlagnahmten Eigentums werden durch den Kontrollrat gegeben.


Artikel III

Solange das erwähnte Eigentum nicht tatsächlich unter die Kontrolle der Militärbefehlsstellen gestellt ist, werden sämtliche Offiziere und alles andere Personal, einschließlich der Verwaltungsbeamten und aller anderen Personen, die für dieses Eigentum haftbar sind, persönlich dafür verantwortlich gemacht, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um dieses Eigentum in unberührtem Zustand zu erhalten und alle Befehle der Militärbefehlsstellen auszuführen, die dieses Eigentum betreffen.


Artikel IV

Jeder, der irgendeiner Bestimmung des vorliegenden Gesetzes zuwiderhandelt, setzt sich strafrechtlicher Verfolgung aus.


(Neuer Hannoverscher Kurier vom 16.10.1945)






Lagerführer von Moringen verhaftet

In einem Dorf an der Leine in der Nähe Hannovers hatte der erste Lagerleiter des KZ Moringen , SS-Sturmbannführer Flohr, als landwirtschaftlicher Arbeiter Unterschlupf gefunden. Er wurde von der Kriminalpolizei Göttingen aufgespürt und festgenommen.

(Neuer Hannoverscher Kurier vom 21.5.1946)





Ablieferung von Schulbüchern

Auf Anordnung der Militärregierung sind sämtliche Schulbücher, die seit 1930 in Gebrauch waren, beschlagnahmt.
Im Stadtkreis Göttingen müssen Bücher dieser Art, die sich im Besitz der Familien befinden, bis zum 20.5.1945 in der Sammelstelle Stadtschulamt Göttingen, Jüdenstraße 38, abgegeben werden. Auf dem Lande sind die beschlagnahmten Bücher in der Schule abzugeben, Die Leiter der Schulen haben bis zum 21.5.1945 eine Liste einzureichen, die den Namen der Schule, Titel, Autor, Verleger, Datum der Publikation der Bücher und jeweilige Anzahl der Bücher angibt.

(Göttinger Mitteilungsblatt vom 16.5.1945)





Im Flüchtlingslager Friedland

Der südlichste der jetzt freigegebenen Grenzübergänge von der britischen in die russische Zone, südlich Göttingens ist anscheinend der bekannteste und der beliebteste; hier strömt die weitaus größte Zahl Menschen von Ost nach West und in umgekehrter Richtung. Täglich steht eine unübersehbare Menschenschlange vor den Schlagbäumen und wartet auf das Heben der Schranken. 3.000 bis 5.000 Menschen werden täglich in jeder Richtung durch diese Engpässe geschleust, die neuerdings im gegenseitigen Übereinkommen geschaffen worden sind, um die Gefahren der "Grünen Grenze" zu vermeiden.

Mit Kind und Kegel, Sack und Pack, kommen die Menschen aus der russischen Zone, alte Mütterchen und junge Frauen, Kriegsversehrte und Greise, oft ganze Familien. Sie schieben oder ziehen Kinderwagen, Handkarren und Leiterwägelchen, auf denen sie ihre Habseligkeiten verstaut haben, vom einfachsten Bündel bis zur halben Wohnungseinrichtung mit Betten, Nähmaschinen und Kommoden.

Dieser Menschenstrom mit all seinem Hab und Gut wird zuerst in das Auffanglager Friedland geleitet, wo sich jeder zu melden hat, der aus der russischen Zone kommt, ehe er weitertransportiert wird. Was irgend kann, geht die kurze Strecke vom Schlagbaum zum Lager zu Fuß. Die Alten und Gebrechlichen, sowie die Beinbehinderten werden von einer englischen Lastwagenkolonne ins Lager gefahren.

Das ehemalige Versuchsgut der Göttinger Universität ist ganz auf Großbetrieb eingestellt. Ungefähr 200 noch nicht entlassene deutsche Kriegsgefangene und 25 Schwestern sind unermüdlich an der Arbeit, die Flüchtlinge zu versorgen. Der Aufenthalt im Lager dauert nicht länger als vierundzwanzig Stunden. Die vorhandenen Baulichkeiten haben nicht im Entferntesten ausgereicht, es mußten Wellblechbaracken aufgestellt werden, die noch weiter ergänzt werden. Der Verkehr in der Barackenstadt, in der es oft wie in einem Ameisenhaufen wimmelt, kann nur mit Lautsprechern bewältigt werden.

Das Lager grenzt an den Bahnhof Friedland, Strecke Göttingen-Kassel, von dem außer den fahrplanmäßigen Personenzügen täglich zwei Sonderzüge der Militärregierung abfahren; einer bringt rückwandernde Flüchtlinge in Richtung Rheinland, der andere fährt ins Oldenburgische. Jenseits der Bahn entsteht ein ähnliches Lager, das den Menschen, die ins russische Gebiet gehen wollen, bis zu ihrem Grenzübergang Unterkunft gewährt.
E. S.-G.

(Neuer Hannoverscher Kurier vom 26.10.1945)





Ausweis für Vertriebene und Flüchtlinge





Von Kröschendorf (OS) nach Hettensen

Nach Erinnerungen von Franz Hübner


Hermann Hübner, Jahrgang 1910, lebt mit seiner Ehefrau Agnes (geboren 1909) in der etwa 400 Einwohner zählenden oberschlesischen Gemeinde Kröschendorf nahe der Grenze zum Sudetenland. Die Ortschaft, die auf Grund ihres Wappens auch das 'Rosendorf' genannt wird, gehört zu dem im Regierungsbezirk Oppeln gelegenen Landkreis Neustadt.

Der Familienvater, der in einem örtlichen Mühlenbetrieb den Lebensunterhalt für seine Ehefrau und die Kinder Franz (geboren 1930), Helene (1932), Georg (1937) und Elisabeth (1940) verdient, wird bereits im Jahre 1937 zum Wehrdienst einberufen. Ein Jahr später wird er erneut eingezogen und nimmt als Soldat der Wehrmacht an der Besetzung des Sudetenlandes teil. Im weiteren Verlauf des Zweiten Weltkrieges wird der Sanitäts-Obergefreite Hermann Hübner an Frontabschnitten in Polen, Frankreich und der Sowjetunion eingesetzt.

Im Jahre 1944 gerät er mit seiner Kompanie am Pruth im heutigen Moldawien in russische Gefangenschaft, aus der er erst im Jahre 1949 zurückkehren wird.

Nachdem sowohl die Westalliierten als auch die Rote Armee sich stetig den Grenzen des Deutschen Reiches nähern, kann nach den Herbstferien im Jahre 1944 in der Schule der Gemeinde Kröschendorf kein Unterricht mehr erteilt werden. Die Räume des Schulgebäudes sind belegt durch Flüchtlinge, Evakuierte und zum Teil auch durch Militäreinrichtungen.

Das Donnern von Artilleriegeschützen und anderer Gefechtslärm signalisiert der Bevölkerung der Ortschaft im März 1945, dass die sowjetischen Truppen nicht mehr fern sind.

Pferdegespanne und Planwagen stehen seit Tagen bereit. Alle Bewohner des Ortes haben ihre Habseligkeiten gepackt, sind gewappnet für den unmittelbar bevorstehenden Tag, an dem sie ihre Heimat unwiderruflich verlassen müssen.

Als die russischen Truppen sich der Ortschaft bedrohlich genähert haben, setzt sich in den Abendstunden des 17. März 1945 unter Führung des Lehrers Reinhold Kügler bei heftigem Schneeregen ein Treck mit Pferdegespannen in Bewegung. Als die Fuhrwerke das Dorf verlassen, gehen Einheiten der Waffen-SS am Ortsrand in Stellung. Später erfahren die Kröschendörfer, dass sie mit viel Glück den heranrückenden russischen Truppen entkommen sind, die in einer Zangenbewegung sowohl das Nachbadorf Dittersdorf als auch die anderen umliegenden Ortschaften einnehmen. Die Bewohner dieser Orte können sich nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen.

Reinhold Kügler führt den Treck in Richtung Süden, bis in die etwa 100 Kilometer entfernte Ortschaft Doeberseik im Sudetenland. Da der Treck von der Roten Armee überrollt wird, entschließt sich der Treckführer nach langem Zögern zur Umkehr und der Rückführung der Flüchtlinge in ihren Heimatort Kröschendorf.

Als der Treck am 17. Mai 1945, der Krieg ist seit gerade neun Tagen beendet, wieder zu Hause ankommt, findet man niedergebrannte Gehöfte und zahlreiche zerstörte Wohnhäuser vor. Heftige Gefechte zwischen der Wehrmacht und der Waffen-SS einerseits und russischen Truppen andererseits haben deutliche Spuren hinterlassen. Fast gespenstisch ist die Ruhe in dem verlassenen Dorf, das nun wiederbevölkert wird. Hin und wieder stören nur einige Rotarmisten, die als Nachhut unterwegs sind, diesen vermeintlichen Frieden.

Wenige Wochen später, im Juni 1945, kommen polnische Männer aus dem westlichen Teil ihres Vaterlandes, beschlagnahmen Wohnraum und Einrichtungsgegenstände. Diese Plünderer fordern, nachdem die Ernte eingebracht ist, die Kröschendorfer Bevölkerung am 29. August auf, die Ortschaft umgehend zu verlassen und sich eine neue Bleibe zu suchen.


Ortsansichten Kröschendorf (1935)


Nur mit einem notdürftig geschnürten Bündel in der Hand, die fünfjährige Tochter Elisabeth an der Hand, tippelt Agnes Hübner mit ihren Kindern und Familien aus den Nachbarhäusern nach Olbersdorf. In diesem Dorf, das etwa 15 Kilometer östlich von Kröschendorf liegt, finden die Vertriebenen auf der Saalfläche eines Gasthauses Unterkunft.

Nach etwa zwei Wochen kehrt Mutter Hübner mit ihrem Sohn Franz in die Heimatgemeinde zurück. Beide wollen nach brauchbaren Gerätschaften und Lebensmitteln Ausschau halten. Während seine Mutter wieder nach Olbersdorf geht, bleibt Franz in Kröschendorf, wo er Pferde betreut und landwirtschaftliche Arbeiten verrichtet. Als Entlohnung erhält er am Wochenende jeweils ein großes Brot, das er dann der Mutter und seinen Geschwistern nach Olbersdorf bringt. Er selbst kehrt danach stets in seine Heimatgemeinde zurück.

Im Herbst des Jahres wird die gesamte Region von Familien aus dem östlichen Polen besiedelt. Diese so genannten „Ostpolen“ waren von den Russen vertrieben worden, nachdem sie diesen Teil Polens dem Territorium der Sowjetunion einverleibt hatten. Da das Getreide zum Teil noch auf den Feldern der Kröschendorfer Gemarkung steht oder noch ungedroschen in der Scheune liegt, benötigen die polnischen Siedler unbedingt Arbeitskräfte. Diese finden sie unter der ursprünglichen Einwohnerschaft des Ortes.

Auch Familie Hübner kommt so zu einer Beschäftigung, kann sich so von Kartoffeln und Brot ernähren. Da man über kein Geld verfügt, sind die Dinge des täglichen Bedarfs nur schwer zu bekommen. Selbst Streichhölzer sind Mangelware. Diese werden jedoch besonders während der kalten Wintermonate dringend benötigt um die Ofenfeuerung in Gang zu bringen. Franz Hübner und seine Kameraden wissen sich aber zu helfen, indem sie Granaten von Flak-Geschützen gewaltsam öffnen und mit den darin enthaltenen Pulverstäben Feuer machen. Bei der Explosion einer solchen Granate ist sein Freund, der damals zehnjährige Gerhard Kretschmer, am 23. Dezember 1945 ums Leben gekommen.

Im Juni 1946 wird den Bewohnern Kröschendorfs von den Besatzern mitgeteilt: „Morgen werdet ihr umgesiedelt. Am Ortsausgang in Richtung Neustadt steht ein Pferdegespann mit Leiterwagen. Dort habt ihr euch zu sammeln. Ihr dürft nur das mitnehmen, was ihr tragen könnt.“

Die Bevölkerung zieht, obwohl es drückend heiß ist, mehrere Kleidungsstücke übereinander. Bepackt mit Hab und Gut machen sich Alte, Frauen und Kinder dann auf den Weg zum acht Kilometer entfernten Bahnhof in Neustadt. Das polnische Pferdefuhrwerk folgt den Vertriebenen und sammelt all die Gegenstände ein, die von den Erschöpften weggeworfen werden.

Nachdem alle Vertriebenen in Viehwaggons verladen sind, fährt der Zug am 2. Juli 1946 Richtung Osten ab. Nach etwa 50 Kilometern Fahrt werden die Heimatlosen in eine Kaserne zur Entlausung geführt. Dort findet allerdings keine hygienische Maßnahme statt, sondern die Taschen werden nach Wertgegenständen durchsucht. Gefundene Wertsachen werden von der polnischen Miliz einbehalten.

Danach besteigen jeweils 25 Personen einen Viehwaggon. Der Güterzug setzt sich in Bewegung. Er fährt Richtung Westen. Da viele Gleis- und Brückenbauwerke zerstört sind, muss dieser Zug weite Umwege fahren. Nach sieben Tagen Fahrt erreicht er am 9. Juli 1946 die südniedersächsische Kreisstadt Northeim. Familie Hübner und die anderen Heimatvertriebenen werden kurzzeitig im Gebäude der Zigarrenfabrik untergebracht.

Zwei Tage später, am 11. Juli 1946, werden 24 Personen aus Kröschendorf auf Anordnung des Landkreises Northeim mit einem Holzkocher-Lastwagen des Fuhrunternehmers Karl Heese von dessen Fahrer Otto Kerl nach Hettensen gebracht. Vom ersten Quartier auf dem Saal der Gastwirtschaft Krüger aus verteilt die Gemeinde die Flüchtlingsfamilien auf Wohnhäuser mit noch verfügbarem Wohnraum. Familie Hübner findet Unterkunft im Hause Albert Poppe [Bornbreite 7]. Dass der Wohnraum damals mehr als knapp ist, verdeutlicht die Einwohnerzahl der Ortschaft im Jahre 1946, als mehr als 1.000 Menschen in Hettensen leben. (Laut Volkszählung waren im Jahre 1939 nur 534 Einwohner im Ort gemeldet.)

Familienvater Hermann Hübner ist zu jener Zeit noch immer in russischer Gefangenschaft. Er weiß nicht, wo seine Angehörigen abgeblieben sind. Durch einen glücklichen Zufall kann eine Familie aus dem Westerwald, bei der Hübner vor dem Frankreich-Feldzug Quartier gehabt hat und der er aus der Gefangenschaft schreibt, Kontakt zu einem Pfarrer herstellen, der als Seelsorger einst auch für Kröschendorf zuständig war. Da dieser Geistliche weiß, wo Hübners Angehörigen eine neue Heimat gefunden haben, kann er dies dem Spätheimkehrer mitteilen. Nachdem er aus sowjetischer Gefangenschaft entlassen wurde, kommt Hermann Hübner im Jahre 1949 nach Hettensen zurück in den Kreis seiner Familie. Im Jahre 1952 wird eine weitere Tochter, Angelika, geboren.

Neben Familie Hübner kamen ebenfalls am 11. Juli 1946 nach Hettensen die Familien Görlich, Gröger, Jeischik, Kretschmer, Müller und Rehmet aus Kröschendorf. Da die Gemeinde Hettensen den Bedarf erkennt, werden in den Nachkriegsjahren weitere Siedlungsflächen ausgewiesen. So kann auch Familie Hübner ein neues Eigenheim errichten und dieses im Jahre 1956 beziehen. Es ist das erste Wohnhaus, das in der unteren Siedlung gebaut wurde. [Wiesenstraße 5].








Rationierung der Lebensmittel



(Göttinger Mitteilungsblatt vom 19.5.1945)





Einkaufsgenehmigung in der Britischen Zone (1946)





Karteikarte des Ernährungsamtes Northeim über den Nachweis von Hausschlachtungen (1947)





Raucherkarte (1948)












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